Dichtgedrängt stehen die Flüchtlinge um den Reisebus. Alle tragen kleine Tagesrucksäcke und halten handgeschriebene Tickets in der Hand. Zehn Euro kostet die dreistündige Fahrt an die Grenze zu Ungarn in Nordserbien. Alle sind nervös, verschwitzt und besorgt um ihren Sitzplatz. Ein Vater aus Syrien nimmt sein Neugeborenes aus dem Kinderwagen und reicht es der Mutter vorsichtig in den Bus hinein. Das Baby ist keine zwei Wochen alt, es muss auf der Flucht geboren worden sein.
Der Bus fährt ab. 75 Personen nehmen eine weitere Etappe auf der langen Reise in den Norden. Aber immer noch warten Tausende in den beiden Parks um den Belgrader Busbahnhof auf eine Möglichkeit zur Weiterreise.
In Gruppen suchen sie Schutz im Schatten der Bäume oder in unzähligen farbigen Trekking-Zelten. Junge Männer und ganze Familien mit Kleinkindern vor allem aus Syrien, aber auch aus Afghanistan, dem Irak und aus Afrika.
Hoffnungslos überlastete Infrastruktur
Eine ältere Syrerin sitzt in ihrem Rollstuhl, ihr Ehemann studiert angestrengt die Angaben auf einer serbischen Milchpackung. Es stinkt im Park. Die sanitären Anlagen im Busbahhof sind hoffnungslos überlastet. Seuchengefahr bestehe zur Zeit jedoch nicht, sagt Alberto, der spanische Arzt von Ärzte ohne Grenzen.
Sein Team ist in Belgrad seit vier Monaten im Einsatz, pflegt Wunden und gibt Medikamente aus. «Grundsätzlich sind die Ankömmlinge starke Menschen, sie können eine lange Reise durchstehen. Allerdings sind sie oft erschöpft, dehydriert, haben Fussblasen, kleine Wunden, Sonnenbrand und Fieber. Spitaleinweisungen sind jedoch selten», sagt Alberto.
Strapazen und (k)ein Ende?
Etwas oberhalb des überfüllten Parkes ruhen sich ein 31-jähriger Syrer und seine vier Reisegefährten unter einem Baum aus. Er will seinen Namen nicht nennen. Bis zum Ausbruch des Krieges vor vier Jahren war er Ingenieur einer grossen Firma. Im Mai ist er vor den Bombardierungen geflüchtet. Zuerst in die Türkei, dort konnte er aber keine Arbeit finden.
«Wir wollen in Deutschland oder Schweden eine Zukunft finden, die Sprache lernen, eine Arbeit finden, nutzbringend sein. Wir sind qualifizierte Berufsleute und wollen nicht von Sozialhilfe abhängig werden», sagt der Ingenieur bestimmt. Zurzeit empfinde er sich noch als Abenteurer, aber eigentlich sei er nichts als ein Flüchtling, fügt er schulterzuckend bei.
Wir wollen in Deutschland oder Schweden eine Zukunft finden, die Sprache lernen, eine Arbeit finden, nutzbringend sein.
Die Reise via Griechenland und Mazedonien sei mühsam und nervenaufreibend gewesen. Allein für die illegale Bootsfahrt von der Türkei auf eine griechische Insel musste er 1200 Euro bezahlen. Der türkische Schmuggler habe sie in ein Boot gesetzt und gesagt, steuert dieses Licht dort drüben an. Das sei ein grosses Risiko gewesen, auch Familien und Kleinkinder seien im Boot gewesen, sagt der Ingenieur.
Die fünfzig Passagiere wurden buchstäblich ausgesetzt, ohne Steuermann. Mit viel Glück sind sie nach zwei Stunden auf der griechischen Insel angekommen. Plötzlich steht der Ingenieur auf und mahnt seine Freunde zum Aufbruch. «Wir müssen uns beeilen, damit wir noch weiter kommen, bevor Ungarn seine Grenze mit dem Zaun schliesst», sagt er zum Abschied.
Auf einer etwas entfernteren Parkbank sitzen einige serbische Rentner, inmitten der vielen Flüchtlinge. Er habe nichts gegen diese Menschen, die ja nur auf der Durchreise seien, meint ein weisshaariger Siebzigjähriger. «Ich bin selber ein Flüchtling. In den 90er-Jahren musste ich aus dem Kosovo flüchten. Ich weiss, wie das ist. Deshalb wollen wir jetzt gute Gastgeber sein», sagt der alte Mann.