Der türkische Premierminister Ahmed Davutoglu hat bekannt gegeben, hinter dem Anschlag in Ankara stecke ein Syrer. Dieser habe Verbindungen zur syrisch-kurdischen Miliz YPG, einem bewaffneten syrischen Ableger der PKK. Er soll 23 Jahre alt gewesen sein.
Türkische Medien berichten, der Mann sei als Flüchtling in die Türkei gekommen. Er habe das Anschlagsauto gefahren und sei durch die Explosion getötet worden. Sie berufen sich dabei auf Angaben der Polizei.
Nach den Worten eines ranghohen Mitarbeiters der türkischen Sicherheitskräfte soll der Mann im Juli 2014 in die Türkei eingereist sein. Seine Fingerabdrücke seien in dem mit Sprengstoff bestückten Fahrzeug gefunden worden.
Laut Angaben von Präsident Recep Tayyip Erdogan sind mittlerweile 14 Personen festgenommen worden, die mit dem Anschlag in Verbindung stehen sollen.
Premierminister Davutoglu sagte: «Gestern hat sich wieder gezeigt, dass die YPG eine Terrororganisation ist.» Das müssten nun auch die Verbündeten erkennen. Eine Aussage mit Brisanz, denn die USA unterstützen die YPG. In Syrien kämpft sie gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Kurdenpartei dementiert Vorwürfe aus Ankara
Die syrische Kurdenpartei PYD, deren bewaffneter Arm die YPG ist, hat aber jegliche Verantwortung für den Anschlag in Ankara zurückgewiesen. «Wir haben keine Verbindungen zu dem, was in der Türkei passiert», sagte der PYD-Co-Vorsitzende Salih Muslim. Die türkischen Anschuldigungen seien Teil einer «Eskalationspolitik» gegen kurdische Parteien.
Auch die PKK selber übernimmt keine Verantwortung für den Anschlag. PKK-Kommandant Cemil Bayik sagte der PKK-nahen Agentur Firat: «Wir wissen nicht, wer das getan hat. Es könnte aber ein Vergeltungsschlag für die Massaker in Kurdistan gewesen sein.» Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP, der Präsident Erdogan eine Nähe zur PKK vorwirft, verurteilte den Anschlag.
28 Tote und 61 Verletzte
Bei dem Anschlag auf einen Armee-Konvoi im Regierungsviertel Cankaya wurden laut Davutoglu 28 Menschen – 27 Soldaten und ein Regierungsbeamter – getötet. 61 weitere Menschen wurden verletzt. Auf Fotos vom Anschlagsort waren ausgebrannte Busse zu sehen.
Zu der Detonation sei es gekommen, als die Fahrzeuge an einer Ampel gehalten hätten, teilte das Militär mit. Dies sei ein «niederträchtiger und verräterischer Angriff».
Davutoglu sagt Brüssel-Reise ab
Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte nach dem Anschlag seinen Besuch in Brüssel zu Gesprächen über die Flüchtlingskrise ab. Davutoglu wollte am Donnerstag in Brüssel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras zusammenkommen.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan berief ein Sicherheitstreffen ein und sagte eine Reise nach Aserbaidschan ab.
Erdogan sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus und kündigte an, der Kampf gegen den Terror werde noch entschlossener weitergeführt. «Die Türkei wird nicht zögern, von ihrem Recht auf Selbstverteidigung jederzeit, überall und unter allen Umständen Gebrauch zu machen», hiess es in einer Mitteilung Erdogans.
Auch Davutoglu kündigte Vergeltung für den Anschlag an. Zugleich erhob er schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Damaskus. «Die YPG ist eine Marionette des syrischen Regimes, und das syrische Regime ist direkt verantwortlich für diesen Anschlag. Wir behalten uns das Recht vor, jede Art von Massnahme gegen das syrische Regime zu treffen.» Die Türkei werde den «verräterischen Elementen und Marionetten der äusseren Mächte ohne zu zögern auf härteste Weise entgegentreten».
«Erstaunlich, wie schnell die Türkei die Schuldigen ermittelt hat»
Es sei durchaus möglich, dass die PKK sowie die syrischen Kurden hinter dem Anschlag in Ankara steckten, berichtet SRF-Korrespondentin Ruth Bossart aus Kilis. «Dafür spricht die Methode, dass militärische Ziele ins Visier genommen wurden.» In der Vergangenheit habe es die PKK immer auf Repräsentanten des Staates abgesehen.
Erstaunlich sei allerdings, wie schnell die türkische Regierung die Verantwortlichen ermittelt habe, so Bossart. Diese Theorie spiele in die Hände der Türken. Denn das Land streite sich schon länger mit den USA darüber, ob es sich bei den syrischen Kurden um eine Terrororganisation handle oder nicht.
Die USA unterstützen diese im Kampf gegen die Terrormiliz IS. Die Türkei hoffe nun, so Bossart weiter, dass die USA diese Verbindung auflösen könnten.
Die türkische Regierung verhängte aus Gründen der «nationalen Sicherheit» eine Nachrichtensperre über den Anschlag, die aber nicht offizielle Verlautbarungen betrifft.