In einem unscheinbaren Pariser Haus hinter der Place de la République betreibt der Verein Gaia eine Anlaufstelle für Drogenabhängige. Mehrere hundert Personen gehen hier täglich ein und aus. Sie tauschen ihre gebrauchten Spritzen gegen neue, saubere ein.
Nur wenige nutzen Methadon-Programm
Gaia sei jeden Tag auch mit zwei Kleinbussen in der Stadt unterwegs und verteile Spritzen, erzählt der medizinische Leiter, Thomas Dusouchet. «Wir sind da, wo die offene Drogenszene ist. Wir verteilen Spritzen und versuchen, die Drogenabhängigen medizinisch zu versorgen.» Man versuche auch, sie zum Eintritt in ein Drogenabgabe-Programm zu bewegen.
Seit rund zehn Jahren kennt auch Frankreich die Möglichkeit, Schwerstabhängigen Methadon als Heroinersatz zu verschreiben. Aber nur eine kleine Zahl Drogenabhängiger nimmt an solchen Programmen teil. Laut Dusouchet liegt der Hauptgrund darin, dass viele Süchtige sozial immer mehr verwahrlosen und alle Kontakte zu ihrem Umfeld abbrechen.
Die Mitarbeiter von Gaia seien häufig der einzige Kontakt der Süchtigen ausserhalb der Drogenszene. «Die Mehrheit der Menschen, die zu uns kommen, lebt auf der Strasse in sehr prekären Verhältnissen», sagt Dusouchet.
Tausende Abhängige – allein in Paris
Wie viele Drogensüchtige es in Paris gibt, weiss niemand genau. Gaia selber betreut regelmässig rund 3000 Personen – und das allein im Nordosten der Stadt. «Das grösste Fixerstübli Frankreichs sind darum wohl die Toiletten rund um den Gare du Nord», stellt Dusouchet lakonisch fest.
Seit Jahren kämpft Gaia deshalb dafür, ein Fixerstübli einrichten zu können. Denn dort könnten Süchtige ihre Drogen legal konsumieren, ausserdem könnten sie medizinisch und psychologisch betreut werden. Ein solcher Ort eröffne den Mitarbeitern von Gaia die Chance, mit den Drogenabhängigen regelmässig in Kontakt zu bleiben, sagt der Arzt.
Bei den Politikern habe es viel Überzeugungsarbeit gebraucht um einzusehen, dass eine solche Struktur fehle und dass endlich die gesetzlichen Grundlagen hierfür geschaffen werden müssten. «Die französische Drogenpolitik ist immer noch auf das Ideal einer drogenfreien Gesellschaft ausgerichtet», stellt Dusouchet fest.
Wenn Organisationen wie Gaia eine Spritzenabgabe, ein Methadonprogramm oder nun ein Fixerstübli vorschlügen, würde dies häufig so interpretiert, dass man nicht mehr an einen Ausstieg der Süchtigen glaube.
Vorbild Schweiz
Nicht zuletzt haben Vertreter aus der Westschweiz und aus Bern zum Umdenken in Paris beigetragen. Sie hätten bei Behörden und Anwohnern im Quartier wichtige Überzeugungsarbeit geleistet, sagt der Leiter von Gaia.
Allen voran erwähnt Dusouchet die Kollegen von Quai9 aus Genf. Man setze in Paris nun auf die gleichen Methoden, was die Zusammenarbeit erleichtere. «Die Leiterin von Quai9 zeigte auf, wie das Fixerstübli in Genf funktioniert. Auch der Chef der Genfer Polizei war hier. Das hat viele besorgte Anwohner beruhigen können.»
In einem halben Jahr will Gaia das Fixerstübli in Paris eröffnen. Die Kollegen aus der Schweiz haben sich zur Einweihung bereits angemeldet.