SRF: Wie kann sich eine Krankenschwester in einem gut ausgerüsteten europäischen Krankenhaus an Ebola anstecken?
Andreas Widmer: Je nach Verlauf der Krankheit bei dem Patienten aus Sierra Leone, welchen die Schwester pflegte, hatte dieser Unmengen an Ebola-Viren abgegeben, die sich dann auch auf der Schutzkleidung der Pflegenden befanden. Deshalb könnte sich die Frau beim Ausziehen der Schutzkleidung angesteckt haben, wenn sie dabei zu wenig vorsichtig vorgegangen ist. Die Zeitungen gehen auch davon aus, dass die Schutzkleider nicht genügt hätten. Das halte ich allerdings für Spekulation.
Die WHO empfiehlt für Ebola eine vergleichsweise einfache Schutzkleidung, ganz im Kontrast zu den Schutzkleidern, welche man im Fernsehen aus Afrika sieht. Tatsächlich besteht eine gewisse Unsicherheit, welche Schutzkleidung bei Ebola angemessen ist.
Wenn jemand Durchfall hat oder erbricht, ist diese maximale Schutzkleidung nötig, wenn jemand das aber nicht tut, dann genügt eine Schutzkleidung, wie wir sie etwa bei Tuberkulose-Erkrankungen tragen. Für uns ist es vollkommen neu, dass eine Person in der industrialisierten Welt trotz Schutzmassnahmen offensichtlich erkrankt ist.
Sie selber plädieren also eher für eine maximale Schutzkleidung?
Bis man weiss, was der Patient genau hat, ist es sinnvoll, eine maximale Schutzkleidung zu tragen. Innert 24 bis 36 Stunden weiss man dann, was vorliegt. Im schlimmsten Fall hat man für diese Schutzkleider dann unnötigerweise drei Mal 40 Franken investiert. Ich denke, dieser Aufwand in der Anfangsphase ist für Einzelpersonen gerechtfertigt.
Hat der Fall von Madrid auch unmittelbare Auswirkungen auf Schweizer Spitäler?
Bisher sind wir von der Ebola-Epidemie stets überrascht worden. Nun ist es an der Zeit, ihr endlich voraus zu sein. Das Risiko für unsere Mitarbeiter, sich anzustecken, ist offenbar gestiegen. Bisher gingen wir davon aus, dass bei den geeigneten Schutzmassnahmen ein Nullrisiko für die Mitarbeitenden besteht. Das hat sich nun geändert und wir müssen mit dieser neuen Situation umgehen.
Welche konkreten Massnahmen sehen Sie?
Schon jetzt pflegen wir die Patienten nach dem Vier-Augen-Prinzip. Jemand kontrolliert also durch die Schutzscheibe, ob bei der Pflege ein Hygiene-Fehler passiert. Falls dem so wäre, würde er sofort erkannt und die nötigen Desinfektions-Massnahmen könnten unmittelbar ergriffen werden. Auch könnte man mit einer prophylaktischen Therapie beginnen. Man kann heute nicht mehr akzeptieren, dass sich Hygiene-Fehler unbemerkt einschleichen.
Das Interview führte Andrea Christen.