«Nein, nein», meint Horst Reeps, «dieser Job war ganz sicher nicht mein Kindheitstraum». Irgendwo verständlich, denn der Mann hat tagtäglich mit den giftigsten Stoffen zu tun. Andererseits schaut ihm im übertragenen Sinne derzeit die halbe Welt gespannt auf die Finger, denn in seinen Händen liegt die Entfernung der chemischen Kampfstoffe aus Syrien.
Auch wenn die Aufgabe genau klar ist, tut sich Reeps mit der Beschreibung seiner Tätigkeit schwer. «Ich überwache und plane – mal in Den Haag, dem Sitz der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), oder vor Ort in Syrien», versucht der gebürtige Deutsche seine Tätigkeit in Wort zu fassen.
Dabei steht ihm ein Team aus Experten, Delegierten der UNO und Inspektoren zur Verfügung. Die Zahl der Gruppe schwankt. Waren es im November noch 30 Leute, sind es aktuell nur noch sechs. Aber kein Problem: «Am Anfang gab es viel zu planen. Jetzt geht es eher ums Koordinieren», so Reeps.
Echte Spezialisten für C-Waffen sind Mangelware
Er selbst ist erst seit Oktober wieder bei der OPCW. Weil es an Experten fehlt, war er aus dem Ruhestand geholt worden – sehr zum Leidwesen seiner Frau.
Ein Problem? Nein, schliesslich war Reeps nur gut zwei Jahre weg. Und so wie ihm geht es vielen seiner Kollegen. 25 frühere Inspektoren wurden wieder an Bord geholt.
Der Grund dafür ist simpel: «Die echten Spezialisten sind mittlerweile ausgestorben, weil kaum noch Kampfstoffe produziert werden.» Gut für die Welt – schlecht für Reeps und die OPCW. «Denn in nichts ist die Menschheit so erfinderisch, wie darin, sich gegenseitig umzubringen», gibt er ein gängiges Sprichwort zum Besten.
«Ich bin kein Schreibtischtäter»
An der Vernichtung von mehr als 100'000 Tonnen chemischer Kampfstoffe war er seit 1991 beteiligt – zunächst für die UNO im Irak, später dann für die OPCW auf der ganzen Welt.
Dabei habe es durchaus auch gefährliche Situationen gegeben. Welche genau, darüber will Reeps nicht sprechen. Er sei zwar kein Schreibtischtäter aber ein Angeber eben auch nicht.
Und so fliegt er mit seinen 66 Jahren durch die Welt, spricht mit Amerikanern, Russen, Syrern und den Delegierten der Länder – hält alle auf dem aktuellen Stand, koordiniert die Transportwegen auf dem Land und auf der See, klärt, wo die Giftstoffe letztendlich entsorgt werden. «Ich bin quasi die zentrale Schnittstelle, um alle Beteiligten auf einen einheitlichen Stand zu bringen», so Reeps.
In der Realität bedeutet das einen 24-Stunden-Job, der ordentlich bezahlt wird. «Aber reich werden können sie damit nicht», schränkt Reeps das gerade Gesagte ein.
In der Regel erhielten seine Mitarbeiter Siebenjahresverträge. Dann sei Schluss. Gerade für Chemiker sei der Wiedereinstieg in die freie Wirtschaft schwierig. Die Folge: Immer weniger Interessenten für die Arbeit bei der OPCW.
C-Waffen zerstören: Ein Traumjob
Sein Job bringt es mit sich: Manchmal mache er sich schon Gedanken über das Böse im Menschen. Aber auch wenn man das alles nicht zu sehr an sich heranlassen sollte, sei es gut und wichtig, sich dennoch emotional einzubringen.
«Schliesslich will man, dass die Chemiewaffen zerstört werden und die Firmen so etwas nicht mehr herstellen können.» Und das sei auch das spannende an seinem Beruf: «Man kann etwas bewegen – und zwar zum Positiven.» Für ihn sei das eine Riesenmotivation, so Reeps – und bei Lichte betrachtet dann eben doch ein richtiger Traumjob.