Die USA verfolgen die wachsende Rolle des Iran im nahen Osten mit grosser Besorgnis. In einzelnen Fragen ist Washington aber auf Teheran angewiesen, sagt Abbas Milani, Leiter der Iran-Studien der Universität Stanford. «Im Kampf gegen die Terrorgruppe IS sind sie Alliierte, wenn auch nur vorläufig, denn sie verfolgen verschiedene Agenden.» Tatsächlich möchte der Iran die schiitischen Kräfte im Irak stärken, die USA hingegen wollen eine Regierung in Bagdad, die für Ausgleich sorgt und alle Bevölkerungsgruppen einbezieht.
Gegen den IS Verbündete
Als die USA diese Woche Luftangriffe flogen, um die Dschihadisten aus der irakischen Stadt Tikrit zu vertreiben, unterstützten sie dabei die schiitischen Milizen, die vom Iran in diesen Kampf geschickt wurden. General Lloyd Austin, oberster US-Befehlshaber der US-Streitkräfte für den Mittleren Osten, stellte vor dem US-Senat klar: «Langfristig ist der Iran die grösste Gefahr für die Stabilität in der Region.» Die unmittelbarste Bedrohung seien aber die sunnitischen Extremisten des IS.
Bedingung für den Einsatz der US-Luftwaffe sei gewesen, dass die schiitischen Milizen das Feld der irakischen Armee überliessen, erklärte General Austin auf Nachfrage eines Senatoren. «Die schiitischen Milizen sind nicht Teil der Räumung Tikrits», sagte der General. Was er allerdings nicht sagte: Rund 30'000 schiitische Milizionäre belagern Tikrit, nur viertausend irakische Soldaten kämpfen. Ohne die schiitischen Milizen kann Tikrit nicht zurückerobert werden.
Im Jemen-Konflikt Feinde
Was diese brüchige Allianz noch weiter strapaziert: In Syrien kämpfen auch beide Länder gegen den IS, doch der Iran unterstützt die Assad-Regierung, im Gegensatz zu den USA. Und auch im Jemen stehen sie sich feindlich gegenüber: Die USA unterstützen Saudi-Arabien im Kampf gegen die Huthi-Rebellen, Iran wiederum beliefert diese mit Waffen.
Vor diesem konfliktreichen und widersprüchlichen Hintergrund verhandeln die USA und andere Länder mit dem Iran, um zu verhindern, dass Teheran eine Atombombe baut.
Eine äusserst komplexe Interessenslage
Eine äusserst komplexe Interessenslage. Die USA müssen gegenüber dem Iran gleichzeitig mehrere diplomatische Hochseilakte vollziehen. Die Absturzgefahr ist beträchtlich. Doch Abbas Milani, Leiter der Iran-Studien der Universität Stanford, ist zuversichtlich: «Es ist kompliziert, aber es ist möglich. Die USA sind in diesem Spinnennetz von Interessen gefangen, aber der Iran ist es ebenso. Seine Wirtschaft leidet unter dem tiefen Ölpreis, er braucht ein Ende der Sanktionen.» So hätten beide Seiten guten Grund dazu, pragmatisch zu sein.