Im Bericht zu den grausamen Foltermethoden des US-Geheimdienstes CIA sind zahlreiche Passagen geschwärzt. Die Namen der Folterknechte zum Beispiel. Nun hat die britische Regierung zugegeben, dass einige Stellen auf ihren Wunsch hin unkenntlich gemacht worden sind. SRF-Korresponent Martin Alioth schildert, wie dies auf der Insel ankommt.
SRF:
Noch gestern hiess es aus Grossbritannien, man habe mit all dem nichts zu tun. Nun macht die Regierung Geständnisse. Warum?
Martin Alioth: Weil das anfängliche Dementi vermutlich nicht glaubwürdig klang. Die Regierung beharrt aber darauf, die Zensur sei aus Gründen der nationalen Sicherheit geschehen und nicht etwa wegen einer britischen Mitschuld an den Folterungen.
Was könnte denn über die Rolle Grossbritanniens in dem Bericht stehen? Dass man von den Foltermethoden gewusst oder gar selber gefoltert hat?
Gewusst hat man es ganz bestimmt. Dank einem notorischen Gerichtsfall können wir das im Indikativ behaupten. Ein gebürtiger Äthiopier erzwang vor britischen Gerichten in einem langen, mehrstufigen Verfahren die Veröffentlichung amerikanischer Geheimdienstdokumente über ihn. Er war im Auftrag der Amerikaner in Guantanamo, Afghanistan und Marokko gefoltert worden. Aus diesen Dokumenten wissen wir, dass der britische Geheimdienst den Amerikanern Fragen unterbreitete, die diese dann wiederum dem Häftling stellten – mit den bekannten Vierhörmethoden. An der Mittäter- und der Nutzniesserschaft der Briten bei den Methoden der Amerikaner besteht kein Zweifel. Aber bisher hat niemand behauptet, britische Beamte hätten selbst gefoltert.
Man weiss, dass die USA auch in anderen Ländern Foltergefängnisse hatten. Gab es solche auch auf britischem Territorium?
Wissen tut man das nicht. Es besteht der dringende Verdacht, dass im Archipel Diego Garcia im indischen Ozean eine derartige Anlage bestand. Die Briten können dafür aber nicht verantwortlich gemacht werden, weil sie die gesamte Inselgruppe als Militärstützpunkt an die Amerikaner verpachtet haben. Unabhängig davon ermittelt die schottische Staatsanwaltschaft, ob und in welchem Umfang schottische Flughäfen bei der Ausschaffung von mutmasslichen Terroristen benutzt wurden.
Wer in Grossbritannien hat denn ein Interesse an einer Aufklärung?
Bürgerrechtsvereinigungen, aber auch Parlamentsabgeordnete aller Parteien, die diese Foltermethoden an die Öffentlichkeit gebracht hätten und nun verlangen, dass ein richterlicher Ausschuss in Grossbritannien gebildet wird, der diese Mittäterschaft zumindest systematisch untersucht. Der liberale Vizepremierminister Nick Clegg hat gesagt, er habe dagegen nichts einzuwenden. Die Haltung von Premierminister David Cameron ist in dieser Frage allerdings noch etwas unklar.
Die Vorwürfe, dass britische Agenten über die Foltermethoden der Amerikaner informiert waren, sind nicht neu. Es hat auch schon Ermittlungen gegeben, ohne dass es zur Anklage kam. Mit wie viel Aufklärungswillen geht man jetzt an die Sache?
Ich bleibe skeptisch. Derzeit läuft eine Untersuchung des parlamentarischen Ausschusses für nachrichtendienstliche Fragen. Dieser gilt als sehr staatstreu. Seine Berichte müssen vor der Veröffentlichung vom Premierminister gegengelesen werden. Peinlicherweise hat derselbe Ausschuss 2007 den britischen Geheimdiensten schon einmal einen Persilschein ausgestellt, was die Ausschaffung und die Folter betrifft. Später hat er sich damit herausgeredet, die Geheimdienste hätten dem Ausschuss nicht alles Material zu Verfügung gestellt. Genau da liegt das Problem: Dieser Ausschuss ist nicht in der Lage, Zeugen unter Eid vorzuladen in der Öffentlichkeit. Er ist vielmehr darauf angewiesen, dass die Geheimdienste kooperieren und das dann in zensierter Form an die Öffentlichkeit bringen. Da regt sich im Moment Unwohlsein in Grossbritannien, ob das denn genügt.
Das Interview führte Brigitte Kramer.