Wenn ein Präsident der Uno-Generalversammlung in den letzten Jahren mal für Aufsehen sorgte, dann oft für negatives: Ali Treki etwa, der auf dem Präsidentenstuhl ein Handlanger von Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi blieb. Vuk Jeremic, der auf peinliche Weise egoistische serbische Interessen verfocht. Oder Sam Kutesa, der zuvor die Diskriminierung von Homosexuellen in seiner Heimat Uganda rechtfertigte und in einen Korruptionsfall verwickelt war.
Praktisch einhellig positiv äussert man sich am Uno-Sitz in New York fast nur zum Freiburger Joseph Deiss, der die Generalversammlung, so gut er konnte, als strenger Schulmeister disziplinierte und auf Schlüsselthemen fokussierte.
In der Tradition von alt Bundesrat Deiss?
Der Däne Mogens Lykketoft könnte nun in seine Fussstapfen treten. Zumal er, genauso wenig wie Deiss, keine enge, nationale Agenda vertritt und daher breit akzeptiert ist.
Er will, dass Offenheit und Transparenz seine Präsidentschaft prägen. Das ist zwar nicht revolutionär, aber auch nicht selbstverständlich. Zu vieles läuft bei der Uno hinter den Kulissen. Vor allem im mächtigsten Gremium, dem Sicherheitsrat. Die fünf Vetomächte dirigieren ihn wie ein Feudalfürstentum: intransparent, autoritär.
Gegen die Allmacht der Grossen
Lykketoft lässt, wenn auch diskret, schon bei seinem Amtsantritt anklingen, dass er Veränderungen will. Er ist überzeugt, dass sich da endlich etwas bewegt. Die grosse Reform, also eine repräsentativere Zusammensetzung des Sicherheitsrates, bleibt zwar chancenlos. Aber zumindest eine kleine Reform scheint realistisch: mehr Effizienz, mehr Konsultationen und eine Begrenzung des Vetorechts.
Die Schweiz setzt sich schon lange dafür ein und schart immer mehr Länder hinter sich. Nun weiss sie auch den Präsidenten der Generalversammlung auf ihrer Seite. Ebenso bei der bevorstehenden Wahl eines Nachfolgers für Generalsekretär Ban Ki-Moon. Wie die Schweiz will auch Lykketoft nicht länger hinnehmen, dass die UNO-Vetomächte klammheimlich auskungeln, wer den UNO-Schlüsselposten erhält. Und: Er will, dass es erstmals eine Frau ist.
Smarter Verhandler, wenig Glamour
Der 69-jährige Mogens Lykketoft ist alles andere als ein Volkstribun. Charisma geht im ab, er spricht stockend. Im schwarzen Anzug fühlt er sich unwohl, trägt lieber ein offenes Hemd, darüber seine knallrote Windjacke. Doch der dänische Sozialdemokrat gilt als geschickter Verhandler, kalkuliert kühl, ist mit allen Wassern gewaschen.
Ein politisches Schwergewicht in seiner Heimat: Steuer-, Finanz- und Aussenminister, Parteichef, Spitzenkandidat, Parlamentspräsident, Buchautor. Und jahrelang der hartnäckigste Gegner des rechtsbürgerlichen dänischen Regierungschefs Anders Fogh Rasmussen. Man sollte Lykketoft nicht unterschätzen.
Es ist der UNO zu wünschen, dass er im neuen Amt Erfolg hat. Die Herausforderungen sind gewaltig. Etwa angesichts der gewaltigen Flüchtlingsströme. Lykketoft spricht von Mängeln; die Uno sei zurzeit überfordert. Er will ausserdem, dass die Generalversammlung fortwährend Druck macht, damit die neuen UNO-Nachhaltigkeitsziele tatsächlich durchgesetzt werden.
Beschlossen werden sie nächste Woche, auf dem UNO-Nachhaltigkeitsgipfel. Dort hat der unauffällige Däne seinen ersten, ganz grossen Auftritt auf der Weltbühne. Er empfängt dann mehr Staats- und Regierungschefs, als jemals zuvor in der Generalversammlung auftraten.