Der deutsche Bundestag hat die Massaker an den Armeniern als Völkermord eingestuft. Die umstrittene Resolution wurde fast einstimmig verabschiedet.
Der gemeinsam von CDU/CSU, SPD und Grünen eingebrachte Antrag wurde mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung angenommen, wie Bundestagspräsident Norbert Lammert nach einer rund einstündigen Debatte feststellte.
Merkel und Co. blieben der Debatte fern
Die Türkei lehnt eine Bezeichnung der Massentötung und Deportationen von Armeniern im Osmanischen Reich 1915 als Völkermord strikt ab. Die Regierung in Ankara hatte für den Fall einer Verabschiedung der Resolution bereits mit einer Beeinträchtigung der Beziehungen zu Deutschland gedroht.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Vizekanzler Sigmar Gabriel und Aussenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD), die alle auch Bundestagsmandate haben, waren bei der Abstimmung nicht anwesend.
«Das war ein ganz bewusstes Fehlen der Regierungsspitze», sagt Adrian Arnold, SRF-Korrespondent in Berlin. «Man wollte nicht noch zusätzlich Öl ins Feuer giessen.» Doch Angela Merkel habe der Resolution schon zuvor ihren «Segen» gegeben. Arnold deutet die Haltung der deutschen Regierung deshalb so: «Wir finden diesen Entscheid richtig, aber er kommt zum falschen Zeitpunkt.»
In der vorangegangenen Debatte hatten Redner verschiedener Fraktionen am Donnerstag in Berlin die historische Mitverantwortung Deutschlands hervorgehoben. Deshalb dürfe man aber nicht zu den Taten schweigen.
Umgang mit Erdogan überschattet
«Dass wir in der Vergangenheit Komplizen dieses furchtbaren Verbrechens geworden sind, darf nicht heissen, dass wir jetzt zu Komplizen der Leugner werden», sagte der türkischstämmige Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir.
Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Franz Josef Jung sagte, es gehe bei der Debatte nicht darum, die Türkei auf die Anklagebank zu setzen. «Wir machen auch die Mitverantwortung des Deutschen Reiches deutlich, des damaligen militärischen Hauptverbündeten des Osmanischen Reiches», sagte der frühere Verteidigungsminister.
Die Debatte wurde auch vom Streit um den richtigen Umgang mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan überschattet. «Gegenstand der Debatte ist der Völkermord an den Armeniern und nicht die Beurteilung Präsident Erdogans», betonte SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich.
Proteste in Berlin
In Berlin hatten am Mittwochabend rund 1000 Menschen am Brandenburger Tor gegen die Resolution protestiert: Die Türkische Gemeinde in Deutschland sieht die Armenien-Resolution als «Politshow» mit negativen Folgen für das ohnehin schwierige deutsch-türkische Verhältnis.