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Eine syrische Flagge über flattert auf einem von Regierungstruppen kontrollierten Gebäude in Aleppo.
Legende: Der Bürgerkrieg in Syrien ist auch ein Muskelspiel zwischen den Regionalmächten. Reuters

International «Das Bündnis ist sehr wichtig – und zugleich gefährlich»

Die Türkei macht im syrischen Bürgerkrieg gemeinsame Sache mit den Golfstaaten. Die Allianz will eine neu formierte Rebellengruppe stärken. Sie versteht sich auch als Bollwerk im regionalen Kräftemessen mit dem Iran. Der Journalist Thomas Seibert zur sunnitischen Achse in einem explosiven Umfeld.

SRF News: Wie ist die Kooperation der Türkei mit Saudi-Arabien im Syrien-Konflikt zu gewichten?

Thomas Seibert

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Der Journalist Thomas Seibert ist USA-Korrespondent des «Berliner Tagesspiegels». Zuvor berichtete er während 20 Jahren für verschiedene Zeitungen und Radiosender aus der Türkei.

Die Zusammenarbeit ist potenziell sehr wichtig. Bisher gab es das Problem, dass jeder Anrainerstaat eine eigene Gruppe unterstützte. Das führte zu Chaos und blutigen internen Konflikten innerhalb der syrischen Opposition. Am Ende hat das nur der syrischen Regierung und der Dschihadisten-Miliz Islamischer Staat genutzt.

Das soll sich jetzt ändern?

In der Tat. Die syrische Exil-Opposition spricht erstmals von einer koordinierten Hilfe, die jetzt anrolle: Die Türkei helfe im Norden Syriens, Saudi-Arabien und auch Katar im Süden. Es gibt eine neue Rebellen-Allianz, die von diesen Staaten unterstützt wird, die «Armee der Eroberung». Das Bündnis besteht aus rund einem halben Dutzend Milizen und umfasst 10‘000-20‘000 Kämpfer. Die syrische Opposition hofft auch, dass jetzt schwere Waffen geliefert werden. Zum Beispiel Luftabwehrgeschütze.

Kann man bereits abschätzen, wie sich das neue Bündnis auf dem Schlachtfeld auswirkt?

Die sogenannte Armee der Eroberung meldet bereits erste Erfolge. Der wichtigste bisher war die Einnahme von Idlib Ende April. Die Stadt liegt in der Nähe der türkischen Grenze im Nordwesten Syriens. Seither ist viel die Rede davon, dass die genannte Armee der Eroberung sich auf den Weg Richtung Damaskus macht. Man wird sehen, was sich daraus in den nächsten Monaten entwickelt.

Der Bürgerkrieg in Syrien tobt nun schon seit vier Jahren. Weshalb entsteht die Kooperation zwischen der Türkei und den Golfstaaten erst jetzt?

Der türkische Präsident Erdogan und der neue saudische König Salman bei einem Treffen in Bahrain.
Legende: Zusammenspiel der Kräfte – mit ungewissem Ausgang: Präsident Erdogan und König Salman. Keystone/ARCHIV

Der aktuelle Anlass ist wohl der Thronwechsel in Saudi-Arabien gewesen. König Salman, der seit Anfang des Jahres auf dem Thron sitzt, sieht Syrien mit anderen Augen als sein Vorgänger. Salman hat sich im März mit dem türkischen Präsidenten Erdogan getroffen. Die syrische Opposition sagt, das Treffen sei ein entscheidender Wendepunkt gewesen. Langfristig ist es so, dass die Golf-Araber immer besorgter werden wegen der Machtausbreitung des Irans in der Region. Stellvertretend dafür steht der Konflikt zwischen den Saudis und dem Iran im Jemen. Jetzt tritt auch die Machtausbreitung der Iraner in Syrien in den Vordergrund. Sie haben in Syrien Medienberichten bereits einige Teile der Regierung und der Behörden unter ihre Kontrolle gebracht. Die Saudis haben entschieden: Das muss gestoppt werden. Auch deshalb haben sie sich mit der Türkei zusammengetan.

Der Westen befürchtet, dass radikale Gruppen auf Dauer gestärkt werden, die für die Zukunft Syriens hochgefährlich sein könnten.

Wie schaut der Westen auf die neue Zusammenarbeit zwischen Saudi-Arabien und der Türkei?

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Mit gemischten Gefühlen. Einerseits will sich der Westen selbst nicht in Syrien einmischen. Andererseits will er auch ein Ende des Bürgerkriegs. Insofern ist es auch aus westlicher Sicht nicht schlecht, wenn sich regionale Mächte um den Konflikt kümmern. Auf der anderen Seite gibt es Bedenken wegen der Zusammensetzung dieser neuen Rebellenallianz, der Armee der Eroberung. Denn zu ihr gehört auch die Nusra-Front, der syrische Ableger der Al-Kaida. Der Westen befürchtet, dass radikale Gruppen auf Dauer gestärkt werden, die für die Zukunft Syriens hochgefährlich sein könnten.

Das Gespräch führte Christoph Brunner.

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