Tagelang hatte die Bluttat in der Kirche Charleston die Südstaatenstadt in tiefste Trauer gestürzt. Doch beim farbenfrohen, feierlichen Gottesdienst für den getöteten Pfarrer Pinckney gab US-Präsident Obama den Bürgern neue Hoffnung. Er hielt eine bewegende Rede.
«Er wusste nicht, dass er von Gott benutzt wurde»
Wie ein Pastor, der sein Land wachrütteln will, zählte Obama die Lehren aus der grausamen Bluttat auf, die nun gezogen werden müssten. Dabei berief sich «Reverend Obama» immer wieder auf Gott. «Er hat uns erlaubt zu sehen, wo wir blind waren», rief er, und die über 5000 Trauernden in der Halle von Charleston brachen in Jubel aus. Zwischendurch wischte er sich eine Träne aus den Augen.
Obama entzog dem Täter geschickt die Bühne. Dieser sei mit seinem Vorhaben gescheitert, das Land zu spalten. «Der von Hass geblendete, mutmassliche Mörder konnte die Gnade nicht sehen, die Pfarrer Pinckney und diesen Bibelkreis umgab», erklärte der Präsident. Der Täter habe nicht damit gerechnet, dass die Hinterbliebenen der Opfer mit Vergebung reagieren und dass die USA die Bluttat als Anstoss zur Selbstprüfung nutzen würden.
«Gott will nicht, dass wir hier schon aufhören»
Und dann zählte Obama auf, was sein Land nach seiner Meinung noch immer nicht richtig sieht. «Zu lange sind wir blind gewesen gegenüber dem einzigartigen Chaos, das Waffengewalt dieser Nation zufügt», rief er. «Zu lang waren wir blind gegenüber dem Schmerz, den die Konföderierten-Flagge in zu vielen unserer Bürger auslöst», meinte er wegen der Kontroverse um das Symbol für die Sklaverei-Verteidiger in den Südstaaten.
«Doch ich denke nicht, dass Gott will, dass wir hier schon aufhören», betonte der US-Präsident. Er rief zu einem verstärkten Kampf gegen den Rassismus auf und forderte eine gerechtere Gesellschaft und strengere Waffenrechte.
«Ich war einst blind, aber nun sehe ich»
In seiner bewegenden Rede sprach Obama zwar alle heiklen Punkte an, doch er liess offen, wie er diese Ziele erreichen will. Dafür sang er. Erst zögerlich, dann begleitet von Tausenden Stimmen in der Halle in Charleston stimmte der erste schwarze US-Präsident «Amazing Grace» an – das Volkslied über die «erstaunliche Gnade» Gottes in schweren Zeiten, das schon den Sklaven in den USA Kraft und Hoffnung gab.