Vor der Einäscherung seien die letzten religiösen Riten am Wohnort der Verstorbenen in Neu Delhi vollzogen worden, berichtet die «Times of India». Die Leiche war in der Nacht mit einer Chartermaschine von Singapur nach Indien gebracht worden.
Eltern des Opfers an Bord der Chartermaschine
Die 23jährige Medizinstudentin war in einem Spital des asiatischen Stadtstaates ihren schweren Verletzungen erlegen.
An Bord der staatlich gecharterten Air-India-Maschine befanden sich neben dem Sarg auch die Eltern, die in den letzten Stunden bei der jungen Frau gewesen waren, sowie zwei Brüder. In der Hauptstadt hielten viele Trauernde Kerzenwachen ab.
Indiens Präsident Pranab Mukherjee sagte, die 23jährige sei stark und tapfer gewesen. «Sie ist eine wahre Heldin und symbolisiert die indische Jugend und Frauen auf das Beste.»
Weibliche Föten häufiger abgetrieben
Bollywood-Superstar Shah Rukh Khan hingegen schrieb via Twitter: «Ich bin so traurig, dass ich Teil dieser Gesellschaft und Kultur bin». Er schäme sich, ein Mann zu sein.
Das dürfte für die meisten anderen Inder nicht gelten, denn sie sind das bevorzugte Geschlecht: Mädchen werden häufig abgetrieben, so dass nur 940 Frauen auf 1000 Männer im Land kommen. In der Hauptstadt Neu Delhi sind es sogar nur 866 Frauen. Das geht aus offiziellen Statistiken hervor.
Erschreckende Zahlen der Regierung
Es gibt weitere erschreckende Zahlen der Regierung, etwa die höhere Zahl an unterernährten Mädchen. Und während drei Viertel der Männer lesen und schreiben können, gilt das nur für etwa die Hälfte der Frauen.
Wut und Trauer in Indien
Das hängt auch damit zusammen, dass Mädchen oft nicht mehr in die Schule gehen dürfen, sobald sie ihre Regelblutung bekommen. Denn vor allem auf dem Land gibt es trotz anderslautender Gesetze oft keine Schultoiletten - und damit für die Mädchen keine Möglichkeit, ihre Binden zu wechseln.
«Mögest Du im Himmel Frieden finden»
«Es kann ja auch meine Schwester treffen», sagt der 24jährige Badal Yadav, der mit seinen Kommilitonen zu den Protesten kam. Sie sehen es als ihre Pflicht an, auf die Strasse zu gehen - und wollen weiter kämpfen. «Wir müssen doch zeigen, dass es auch Menschlichkeit gibt», sagt Yadav.
Neben ihm hält ein junger Mann ein Schild, auf dem er dem Vergewaltigungsopfer alles Gute wünscht. «Mögest Du im Himmel den Frieden finden, den wir Dir nicht geben konnten, als Du hier warst.»
Aufstand der urbanen Mittelschicht
Es sei nicht nur die besondere Brutalität dieses Falles gewesen, die zu den Protesten führte, sagt die politische Analystin Saba Naqvi. Gruppenvergewaltigungen werden in Indien täglich angezeigt, meistens in ländlichen Gegenden. Oft suchten Männer Frauen der Urvölker oder Dalit-Mädchen aus, also die sogenannten Unberührbaren am unteren Ende der Gesellschaft.
Diesmal aber traf es eine Studentin in der 17-Millionen-Metropole Neu Delhi. «Die Proteste jetzt sind ein Aufstand der wachsenden urbanen Mittelschicht», sagt sie.
«Genug geschrien. Wir wollen Taten sehen»
Die Demonstranten in Neu Delhi riefen im Chor: «Wir wollen Gerechtigkeit». Einige forderten die Todesstrafe auch für Vergewaltiger, andere lehnten eine Verschärfung der Strafen ab, wollen aber ein härteres Durchgreifen der Polizei.
Manche hatten sich schwarze Tücher über den Mund gebunden und wollten am liebsten gar nichts mehr sagen. «Wir haben genug geschrien», sagte eine junge Frau mit Tuch. «Jetzt wollen wir Taten sehen.»
«Ihr Kampf muss jeden aufwecken»
In ihren Reden appellierten Demonstranten in Neu Delhi, die Bewegung dürfe an diesem Tag nicht enden. «Ich hoffe, dass ein Wandel passiert in dieser Gesellschaft, die Frauen so gering schätzt», sagte die Studentin Aswathy Senan. Proteste im Regierungsviertel und rund um das Wahrzeichen India Gate waren erneut untersagt.
Kundgebungen gab es auch in den Metropolen Bangalore, Kolkata und Mumbai. Bollywood-Berühmtheiten gehörten zu den Demonstranten. «Sie ist tot. Aber ihr Kampf muss jeden aufwecken, jetzt etwas zu tun», stand auf einem der Plakate. Und auf einem weiteren: «Die Flamme, die sie entzündete, soll nie mehr verlöschen.»