- Der Papst reist heute zu einem zweitägigen Besuch nach Ägypten.
- Er will damit ein Zeichen für den Frieden und den Dialog unter den Religionen setzen.
- Sein Besuch sei eine «persönliche Geste des Trostes und der Ermutigung für alle Christen im Nahen Osten», sagte er in einer Videobotschaft.
- Der Besuch steht unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen.
SRF News: Wie gross ist das Sicherheitsrisiko für den Papst bei seinem zweitägigen Besuch in Ägypten?
Astrid Frefel: Nach den tödlichen Anschlägen am Palmsonntag auf koptische Kirchen und der ausdrücklichen Drohung des sogenannten Islamischen Staates gegen die Christen in Ägypten ist der Papstbesuch tatsächlich mit einem hohen Risiko verbunden. Entsprechend gross sind die Sicherheitsvorkehrungen. Die Armee schützt das katholische Kirchenoberhaupt, auch wurde eine Messe auf ein Militärgelände ausserhalb Kairos verlegt. Trotz der Bedrohungslage wollte Franziskus die Reise aber unbedingt antreten, weil er sie als Ermutigung für alle Christen im Nahen Osten sieht.
Zehn Prozent der 93 Millionen Ägypten sind Christen, 90 Prozent sind Muslime. Ist die Situation der Christen im Land tatsächlich so erdrückend, wie es dieses Zahlenverhältnis vermuten lässt?
Die Christen hatten grosse Hoffnungen in Staatschef Abdel Fattah al-Sisi gesetzt, weil er die Islamisten entmachtete, welche die Christen als Bedrohung empfunden hatten. Doch bisher hat sich ihre Stellung nicht wirklich verbessert. Die Christen fühlen sich in vielen Bereichen marginalisiert. Auf dem Papier gibt es bloss ein einziges zählbares Ergebnis, es ist dies ein Gesetz zum Bau von Kirchen. Das war früher praktisch verboten, weil für die lokalen Spannungen zwischen Muslimen und Christen meist der Bau von Kirchen verantwortlich ist. Auch das neue Gesetz hat allerdings bisher nicht viel gebracht, weil sich die zivilen Behörden bei Baugesuchen an die Sicherheitsbehörden wenden und diese Kirchenbauten dann meist nicht bewilligen.
Im Februar haben IS-Terroristen auf der Sinai-Halbinsel Christen ermordet oder vertrieben. Kann der ägyptische Staat die Christen überhaupt noch schützen?
Diese gezielten Vertreibungen und die Anschlagsserie gegen die Christen im Nordsinai haben bereits im Dezember in Alexandria begonnen. Es ist dies ein Zeichen, dass der Staat die Christen und ihre Festivitäten nicht schützen kann. Allerdings betrifft der Terror in Ägypten nicht ausschliesslich die Christen. Sie sind aber besonders verbittert, weil sie sehr oft Ziel von Anschlägen sind. Der Unmut darüber hat sich bislang jedoch erst spontan geäussert, es gab noch keine organisierten Proteste.
Anschläge und radikalisierte Islamisten: Wie wirkt sich das auf das Zusammenleben der Muslime und Christen in Ägypten aus?
Die latenten Spannungen zwischen Muslimen und Christen waren schon immer vorhanden. Der «Islamische Staat» attackiert nun genau diese Bruchstellen – wie er das in anderen Ländern auch macht. Der IS will den Staat und seine Strukturen schwächen um so einen guten Nährboden für die Rekrutierung islamischer Extremisten zu schaffen. Die Christen sind dabei so etwas wie das Mittel zum Zweck. Die neun Millionen Christen werden durch den Terror zwar nicht aus Ägypten vertrieben, aber die Spannungen in der Gesellschaft steigen weiter an.
Das Gespräch führte Walter Müller.