«Bedauerlich ist einzig, dass die Schweizer Polizei und nicht die brasilianische gegen José Maria Marin vorgegangen ist», poltert Romario, der ehemalige Star-Stürmer der «Seleção», in den heimischen Medien. Die Verhaftung des ehemaligen Vorsitzenden des Fussballverbandes CBF war für viele in Brasilien überfällig. Die Medien des Landes bezeichnen die frühere Stütze des Militärregimes schon länger als bis auf die Knochen korrupt.
Ähnlich gelagert ist der Fall des Uruguayer Fifa-Vizes Eugenio Figueredo. Er frönte einem luxuriösen Lebensstil, jettete um die Welt. Auch er bediente sich offenbar an den übervollen Geldtöpfen des Weltfussballverbandes. Es sind Geschichten und Biographien, die in Europa hellhörig machen – und ein Klischee bedienen: Nämlich, dass das «System-Fifa» fernab der Zürcher Basis durch willfährige Kollaborateure, die in der Heimat über dem Gesetz schweben, am Laufen gehalten wird.
«Korruptionskultur» im Haus des Fussballs?
Diese Vorstellung entspreche nicht der Realität, meint Thomas Kistner, Journalist und Autor von «Fifa-Mafia». Denn die ethische Schieflage betreffe die ganze Fifa und gerade auch die Zentrale in Zürich – und das seit dreieinhalb Jahrzehnten. Dafür gebe es einen politisch Hauptverantwortlichen: «Es hat sich eine Korruptionskultur bei der Fifa entwickelt, und es gibt eine Figur, die in dieser Zeit die Spitzenämter ausgefüllt hat: Der langjährige Generalsekretär und jetzige Präsident Sepp Blatter.»
Der deutsche Journalist erachtet es als überfällig, dass sich die Justiz dem «Gestrüpp» von Korruption und «abenteuerlichster Geschichten» im Haus des Weltfussballs annehme. Für Kistner sind die Enthüllungen, die vorab lateinamerikanische Funktionäre betreffen, denn auch «erst der Anfang».
«Die Dinge werden über Lateinamerika hinausgehen»
So habe die US-Justiz noch längst nicht «ausermittelt», worum es in diesen Geschäftsgeflechten gehe: «Die Verdachtsmomente, die sich für Funktionäre aus Lateinamerika bestätigen, gibt es in teilweise sogar verschärfter Form auch gegen Vertreter aus Europa, Asien und Afrika.» So klar, wie sich die US-Justiz auch kommentierend geäussert habe, werde sie noch einiges «draufsatteln».
Warten wir's ab, was da noch kommt.
Eine Fährte führt via Chuck Blazer, dem ehemaligen US-amerikanischen Funktionär bei der Fifa, in andere Verbände. Nach vielen Berichten soll Blazer aus Selbstschutz mit der US-Justiz als Zeuge kooperiert haben, bis hin zu Spitzeltätigkeiten für das FBI. «Von ihm wird eine ganze Menge zu erfahren sein», so Kistner: «Auch Dinge, die weit über Lateinamerika hinausgehen.»
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Zudem liefen Untersuchungen, die das FBI seit spätestens 2011 gegen Jack Warner und auch gegen Blazer unternommen hatte, über die Abteilung für organisierte Kriminalität in Euroasien: «Das ist ein Fingerzeig, wo die Geschichte hingehen könnte. Dass sich die Eurasien-Abteilung nur für die karibische Ecke interessiert, halte ich für ausgeschlossen.»
«Warten wir's ab, was da noch kommt»
Mit der «karibischen Ecke» verbindet Kistner einen Namen: den ebenfalls verhafteten Jeffrey Webb, Präsident der nord-, zentralamerikanischen sowie karibischen Verbände. Webb, erst kürzlich von Blatter als möglicher Nachfolger ins Spiel gebracht, sitze auf den Caiman-Inseln, wo es «praktisch keinen Fussball, dafür umso mehr Briefkasten-Firmen gebe», an einflussreichster Stelle.
Dort führe Webb die «Tradition» seines ebenfalls verhafteten Vorgängers Jack Warner in bester Manier weiter, so Kistner. Der Journalist ist denn auch überzeugt, dass mit der Verhaftungen der namhaften Exponenten eine Dynamik entsteht, die auch das ganze «Haus des Fussballs» betrifft: «Warten wir's ab, was da noch kommt», schliesst er süffisant.