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Ein US-Transportflugzeug im Landeanflug.
Legende: Die US-Luftwaffenbasis Incirlik in der Südtürkei: Neu dürfen US-Flugzeuge hier starten und landen. Keystone

International «Der Begriff Pulverfass ist nicht fehl am Platz»

Erdogan sagte es ganz deutlich: Die Luftangriffe der türkischen Armee gegen IS-Terroristen in Syrien seien keine einmalige Sache. Der Kampf gegen die Terroristen habe begonnen. Damit meine er nicht nur den IS, sondern auch die kurdische Arbeiterpartei PKK, sagt die Politologin Gülistan Gürbey.

SRF News: Seit heute kämpft die Türkei offen gegen den IS. Ist das die Wende in der türkischen Politik?

Gülistan Gürbey: In Bezug auf den IS ist es auf jeden Fall eine Kehrtwende in der Politik der türkischen Regierung. Denn diese war bisher durch Wohlwollen gegenüber der radikalislamischen Terrormiliz gekennzeichnet.

War der Anschlag vom Montag mit 32 Toten in der türkischen Stadt Suruç der Auslöser für den Strategiewechsel?

Gülistan Gürbey

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Legende: Freie Universität Berlin

Die Politologin Gülistan Gürbey ist Privatdozentin an der Freien Universität Berlin. Ihr Spezialgebiet ist die Türkei.

Das war ein Höhenpunkt in diesem Prozess. Er hat dazu beigetragen, dass diese Wende, die zu erwarten war, noch schneller eingetreten ist. Das heisst, sie hätte sogar viel früher eintreten müssen. Denn der Druck auf die türkische Regierung sowohl intern wie auch extern ist in den letzten anderthalb bis zwei Jahren massiv gestiegen – eben wegen ihrer wohlwollenden Politik gegenüber den Islamisten, die die türkische Regierung geführt hatte.

Das betraf die Freizügigkeit bei den Grenzübergängen, die Tatsache, dass verwundete Islamisten in der Türkei ohne Probleme in den Spitälern behandelt werden konnten, und dass das Land ein Marktplatz für Schwarzhandel mit Öl durch den IS geworden war. All diese logistischen Hilfen indirekter Art sind ans Tageslicht gekommen. Der Selbstmordanschlag in Suruç hat den Druck auf die Regierung erhöht und den Prozess beschleunigt.

Nun gab es Razzien gegen den IS, aber auch gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Was fürchtet die türkische Regierung eigentlich mehr: Anschläge von IS-Terroristen oder ein Erstarken der Anhänger der PKK?

Ich glaube, dass die Bedrohung durch den IS jetzt real geworden ist. Die Türkei ist nun durch die militärische Unterstützung aktiv beteiligt am Krieg gegen den IS. Bislang hat die türkische Regierung die PKK als die erste Gefahr angesehen. Aber mittlerweile sind der IS und die PKK auf der gleichen Ebene gelandet. Und deswegen gab es nun auch Razzien gegen beide Kräfte.

Audio
Wende in der türkischen Aussenpolitik
aus Echo der Zeit vom 24.07.2015. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 8 Minuten 20 Sekunden.

Beobachter sprechen von einem Pulverfass Türkei; jetzt sei im Grunde alles möglich. Wie beurteilen Sie die Lage? Wie kritisch ist sie?

Die Lage ist wirklich sehr kritisch. Pulverfass – ich würde sagen, das ist ein Begriff, der hier nicht fehlt am Platz ist. Die Türkei ist durch die militärische Beteiligung die direkte Zielscheibe der Islamisten geworden. Das heisst, es sind durchaus weitere Anschläge durch Islamisten in der Türkei zu erwarten. Auf der anderen Seite: Wenn die Türkei mit ihrer gewaltsamen Strategie gegenüber der PKK so weiter verfährt, dann werden die Friedensgespräche, die zurzeit sowieso stagnieren, zum Abbruch kommen. Das würde zu einer zweiten Gefahrenquelle für einen erneuten Gewaltausbruch werden.

Die Türkei ist durch die militärische Beteiligung die direkte Zielscheibe der Islamisten geworden.

Auf der einen Seite der IS, auf der anderen die PKK – und dies während einer Zeit, in der die Türkei immer noch eine neue Regierung sucht. Öffnet das Türen für Koalitionen oder bleibt die Situation verfahren?

Das kann Koalitionen erleichtern. Denn die bisherige Politik gegenüber den Islamisten ist ja von allen Oppositionsparteien massiv kritisiert worden. Nicht nur von der kurdischen HDP, sondern auch von den nationalistischen und kemalistischen Kräften. Insofern ist diese Kehrtwende auch im Interesse der Opposition. Damit würde bei den Koalitionsverhandlungen eine Hürde überwunden werden können.

Das Gespräch führten Simone Fatzer und Andi Lüscher.

«Wer der Türkei Schaden zufügt, muss den zehnfachen Preis zahlen»

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte an einer Medienkonferenz, die türkischen Luftangriffe auf Stellungen und Einrichtungen der radikalislamischen IS-Miliz in Syrien seien ein erster Schritt gewesen. Weitere würden folgen. Ferner bestätigte er, der US-amerikanischen Luftwaffe erlaubt zu haben, künftig «in beschränktem Ausmass» vom Luftwaffenstützpunkt Incirlik aus Angriffe gegen die IS-Miliz zu fliegen. Die Türkei werde alles unternehmen, um die nationale Sicherheit zu verteidigen, dies gelte auch gegenüber den Feinden im Inneren, sagte Erdogan. IS-Anhänger, linke Extremisten und kurdische Milizen müssten ihre Waffen niederlegen oder mit Konsequenzen rechnen. Regierungschef Ahmed Davotoglu drohte dem IS, wer der Türkei Schaden zufüge, müsse den zehnfachen Preis dafür zahlen. Die Angriffe am frühen Morgen seien Teil eines laufenden Prozesses. Man habe zwei Hauptquartiere und ein Sammelplatz der Extremistenmiliz zerstört. Die türkischen Kampfjets hätten aber den türkischen Luftraum nicht verlassen, sondern von der Grenze aus die Stellungen des IS angegriffen. Syriens Regierung kritisierte formell die türkischen Angriffe auf den IS. Syrien könne auf seinem Boden keine türkischen Aktionen akzeptieren, sagte ein Vizeaussenminister.

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