«Kehren Dschihadreisende ideologisch indoktriniert und kampferprobt zurück, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie Anschläge in Europa verüben oder als Vorbild für die Anwerbung weiterer Dschihadisten dienen.» Diese Zeilen notierte der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) im Mai in seinem jährlich erscheinenden Lagebericht. Seither hat sich der IS im Irak und Syrien wie ein Lauffeuer ausgebreitet.
Mit seiner gut geölten Propagandamaschinerie ist die radikalislamische Terrormiliz zum Magneten für tausende «Dschihadreisender» geworden – auch aus Europa. Kehren diese zurück, droht Ungemach, sind sich die westlichen Nachrichtendienste einig.
«Mehrere Anschläge» in Belgien vereitelt
Was in der Schweiz bislang hypothetisch ist, ist in Belgien manifest. So haben belgische Ermittler laut einem Bericht der Zeitung «L’Echo» in den vergangenen Monaten mehrere Anschläge radikaler Islamisten abgewendet. Ehemalige Kämpfer in Syrien sowie Sympathisanten der Terrormiliz IS hätten demnach Angriffe geplant, die mit dem Anschlag im Jüdischen Museum in Brüssel vergleichbar gewesen wären, so die Zeitung in ihrer Samstagsausgabe.
Eines der Ziele sei das Gebäude der EU-Kommission in Brüssel gewesen, berichtete der niederländische Fernsehsender NOS im Anschluss an den Bericht.
Am 24. Mai dieses Jahres hatte ein bewaffneter Mann im Eingangsbereich des Jüdischen Museums das Feuer eröffnet. Vier Menschen starben. Der mutmassliche Täter, ein algerischstämmiger Franzose, sitzt in Belgien in Haft. Er hatte mehr als ein Jahr auf der Seite von Islamisten in Syrien gekämpft. Die belgischen Behörden gehen laut «L'Echo» davon aus, dass bis zu 400 Belgier als Kämpfer nach Syrien reisten. Rund 90 von ihnen seien bisher zurückgekehrt.
«Wir arbeiten rund um die Uhr am Problem»
Die belgischen Behörden bestätigten der Nachrichtenagentur Belga, dass es mehrere Einsätze in diesem Zusammenhang gegeben habe. «Wir arbeiten rund um die Uhr am Problem der zurückgekehrten Kämpfer», sagte ein Vertreter der Justizbehörden.
Im Juni hatte ein belgisches Gericht 46 mutmassliche Mitglieder der Gruppe Sharia4Belgium angeklagt. Die radikale Gruppe wird verdächtigt, junge Kämpfer für den Bürgerkrieg in Syrien anzuwerben.
Pläne für Papst-Attentat?
Auch aus dem Vatikan wurde am Samstag ein ähnlich gelagerter Fall publik. Wie die italienische Tageszeitung «Il Messaggero» berichtete, habe ein ausländischer Geheimdienst ein Gespräch zweier Arabisch sprechender Männer abgefangen. Thema: Eine «überzeugende Tat im Vatikan», die für kommenden Mittwoch – den Tag der wöchentlichen Generalaudienz des Papstes – geplant sei.
Die italienischen Behörden seien in der zurückliegenden Woche darüber informiert worden; diese wiederum hätten festgestellt, dass einer der Männer vor rund acht Monaten in Italien unterwegs gewesen sei.
Bereits in den vergangenen Wochen hatte es mehrfach Warnungen gegeben, Anhänger der im Irak und in Syrien aktiven Dschihadistengruppe Islamischer Staat könnten einen Anschlag auf Papst Franziskus planen.
Gefahr «radikalisierter Einzeltäter» auch in der Schweiz
Darüber, wie real ein vergleichbares Bedrohungsszenario in der Schweiz ist, lässt sich nur mutmassen. In seinem Lagebericht erklärte der NDB zwar wie in den Jahren zuvor, dass die Schweiz «kein erklärtes prioritäres Ziel dschihadistisch motivierter Gruppierungen» sei. Jedoch könnten auch bei uns «ideologisch radikalisierte Einzeltäter» Terroranschläge verüben. Diese rechtzeitig zu stoppen, sei selbst dann schwierig, wenn die Person bereits polizeilich oder nachrichtendienstlich bekannt ist.
Einschätzungen des Nachrichtendiensts
Besonderes Augenmerk gilt denn auch beim NDB allfälligen «in die Schweiz zurückkehrenden Dschihadreisenden». Der Nachrichtendienst schätzt, dass bislang rund 40 Personen in den Nahen Osten gereist sind, um sich am Dschihad zu beteiligen.
Anfang September wurde zudem bekannt, dass die Bundesanwaltschaft gegen vier mutmassliche Dschihadi ermittelt, die aus der Schweiz nach Syrien gereist sind.