SRF News: Kann es wirklich sein, dass sich Ukip-Parteichef Nigel Farage am Ziel sieht, oder hat er jetzt schlicht keine Rezepte mehr?
Martin Alioth: Es ist in der Tat etwas pervers, dass jene Politiker, die das Königreich aus der EU katapultiert haben, nun von Bord gehen. Farage sagt, sein Lebenswerk Brexit sei erreicht. Er habe sich ohnehin nie als normalen Karriere-Politiker gesehen. Farage beschreibt sich selbst als «One-Trick-Pony», als Zirkuspferd also, das nur ein einziges Kunststück kann: Brexit.
Würde man nicht erwarten, dass Farage und Boris Johnson jetzt Verantwortung übernehmen und am Exit mitarbeiten und den mitgestalten?
Doch, natürlich. Aber die beiden Männer haben gravierende Nachteile: Sie sind beide extrem polarisierend. Vermutlich würden sie ihrem Anliegen in der Zukunft eher schaden als nützen. Farage, der Ex-Börsianer mit Nadelstreifen-Anzug, Weinglas und Zigarre, war im englischen Mittelland und im Osten effizient.
Ukip eröffnet sich im Norden Englands eine goldene Chance als rechtsnationale Arbeiterpartei.
Im eher proletarischen Norden hingegen, in Labours Stammlanden, wirkte er oft etwas fremd?
Ja, er konnte dort nur mit seinen fremdenfeindlichen Parolen punkten. Angesichts der gegenwärtigen Lähmung der Labour-Partei, die ihren Chef, Jeremy Corbyn, nicht abschütteln kann, eröffnet sich für Ukip im englischen Norden eine goldene Chance als rechtsnationale Arbeiterpartei. Denn Brexit war eine Revolte des englischen Nationalismus.
Es ist denkbar, dass Ukip ohne das Charisma und die Persönlichkeit von Einzelkämpfer Farage zerfällt.
Welchen Weg schlägt die Ukip ohne Farage nun ein?
Diese Frage kann ich im Moment nicht beantworten. Es ist durchaus denkbar, dass das Gebilde ohne das Charisma und die Persönlichkeit von Einzelkämpfer Farage zerfällt. Oder aber, die Schwäche von Labour führt dazu, dass Ukip die Opposition der Konservativen wird und nicht mehr nur am Rande des Spielfelds steht und Unflätigkeiten brüllt.
Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.