Österreich und die Westbalkan-Länder wollen mit ihrem neuen Grenz-Management nur noch schutzbedürftige Personen einreisen lassen. Damit steigt das Risiko, dass sich Flüchtlinge andere, illegale Wege nach Westeuropa suchen.
SRF News: Stimuliert die Politik damit das Schlepperwesen?
Andreas Schloenhardt: Selbstverständlich. Die Schlepperei ist eine Reaktion darauf, dass es keine legalen Migrationswege gibt für diese Personen. Und eigentlich ist es und sollte es Aufgabe der Staaten sein, legale Migrationswege zu schaffen. Die Grenzen nicht unkontrolliert aufzumachen, aber halt Möglichkeiten zu schaffen, dass man auf sichere und legale Weise von A nach B kommt. Je schwieriger das wird und je verzweifelter die Menschen sind, desto drastischer und gefährlicher werden die Schleppermethoden.
Es ist interessant, dass gerade in UNO-Kreisen immer wieder lautstark gesagt wird, dass gerade jetzt der Staat im Prinzip die Rolle der Schlepper übernehmen muss. Es ist die Aufgabe des Staates, diese Personen aufzugreifen, mit ihnen umzugehen und ihnen wenn nötig Schutz zu gewähren. Das ist aber durch die Konferenz in Wien in Frage gestellt worden.
Heisst das auch, die Rhetorik der Politiker, die immer sagen, wir müssen den Schleppern das Handwerk legen, ist einigermassen verlogen?
Im Prinzip schon. Denn gerade durch die Massnahmen an den Aussengrenzen spielen in den meisten Fällen den Schleppern in die Hand. Wir können die Grenzen nicht hermetisch abriegeln, denn es gibt immer Möglichkeiten, irgendwie über die Grenze zu kommen.
Je schwieriger es wird, von A nach B zu kommen, und je verzweifelter die Menschen sind, desto drastischer und gefährlicher werden die Schleppermethoden.
Wie könnten denn legale Möglichkeiten und Wege der Migration aussehen?
Der zentrale Punkt ist, die Kontrolle über die Migrationsbewegung herzustellen indem man an Möglichkeiten wie Resettlement denkt; daran, dass Menschen gezielt aus Flüchtlingslagern umgesiedelt werden.
Eine andere Möglichkeit, die vor allem die Schweiz sehr lange angewendet hat, ist das sogenannte Botschaftsasyl. Statt die ganze Reise in die Schweiz anzutreten, reicht man in der Botschaft im Ausland ein Asylgesuch ein. Ein Vorabentscheid wird gefällt, was gegebenenfalls einen sicheren Transport erlaubt.
Die europäischen Hotspots haben im Prinzip den gleichen Zweck: Dass die Leute zunächst an den Aussengrenzen empfangen und verpflegt werden, auch medizinisch. Und dann wird eine Vorentscheidung getroffen, ob sie als Flüchtlinge behandelt werden oder nicht. Das Problem dieser Hotspots ist, dass sie auf der falschen Seite der Grenze liegen. Die Personen müssen erst einmal zum Beispiel nach Lesbos oder Süditalien hinkommen. Und das ist oft auch nur durch Schlepper möglich.
Was wären Ihrer Meinung nach bessere Standorte für die Hotspots?
Sie müssten in den Transitländern an den Migrationsrouten stehen, etwa in der Türkei oder anderen Aufnahmeländern. Es wäre natürlich auch sehr wünschenswert, so etwas in Libyen oder Ägypten zu bauen. Es geht dabei darum, dass es nicht notwendig wird, dass die Menschen für den gefährlichen Weg teure Schlepper heranziehen müssen. Der Staat muss die Kontrolle übernehmen und jene umverteilen, die wirklich besonders schutzbedürftig sind.
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Die Konferenzteilnehmer in Wien sagen, weil es keine europäische Lösung gebe, müssten sie halt alleine handeln. Haben Sie für diese Argumentation Verständnis?
Nein, es ist eine erpresserische Methode dieser Länder. Es ist natürlich frustrierend, dass es in Brüssel bisher zu keiner Einigung gekommen ist. Das ist auch nicht zu erwarten, denn die 28 Mitgliedsländer haben sehr unterschiedliche Interessen und ökonomische Betrachtungen. Die Asylpolitik war in der EU nie besonders ausgeprägt. Das ist also ein relativ neues Feld, auch für die Brüsseler Bürokratie.
Griechenland hat sich seine geografische Lage nicht ausgesucht. Deshalb fehlt mir das Verständnis, dass Griechenland nicht nach Wien eingeladen wurde.
Dass das jetzt im Alleingang gemacht wird, finde ich erschreckend, weil dabei auch mit dem Leben von Menschen gespielt wird. Einige Grenzen werden dichtgemacht und an einigen wird selektiv vorsortiert. Das Problem ist, dass man gerade aus österreichischer Sicht Griechenland sehr herausfordert und auf Konfrontationskurs geht. Griechenland hat sich seine geografische Lage nicht ausgesucht.
Es ist ein Inselstaat, der wirtschaftlich sehr gelitten hat, aber bei dem es auch von vorneherein sehr schwierig ist, die Grenzen zu kontrollieren. Da kann von Grenzschliessung gar keine Rede sein. Mir fehlt deshalb ein bisschen das Verständnis, dass Griechenland nicht einmal nach Wien eingeladen wurde. Und es stellt auch einiges in Frage, was in Wien beschlossen wird. Denn ohne diese Staaten wird sich weder kurz- noch langfristig irgendeine Lösung ergeben.
Das Gespräch führte Samuel Wyss.