Die internationale Gemeinschaft ist erbost: Mit seinem Veto im UNO-Sicherheitsrat hat Russland am Mittwoch verhindert, dass ein Sondertribunal der Vereinten Nationen den Abschuss der Passagiermaschine MH17 über der Ukraine näher untersuchen kann.
Diese jüngste Entwicklung befeuert die Debatte über Sinn und Unsinn des UNO-Systems. Im Sicherheitsrat – diesem wichtigsten Gremium der Vereinten Nationen – bestimmen einzig und allein die fünf Veto-Mächte, wo es langgeht: Ihr Einspruch kann ungeliebte Resolutionsentwürfe zu Fall bringen oder auch die Aufnahme von Neumitgliedern verunmöglichen. Eine Machtkonzentration, die vielen anderen UNO-Mitgliedern seit Jahren, gar Jahrzehnten ein Dorn im Auge ist.
Veto: Privileg der «Sieger»
Ihren Sonderstatus haben sich die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates bei der Gründung der UNO im Jahre 1945 ausbedungen – basierend auf den damals herrschenden Machtverhältnissen. Hätte man den sogenannten «Permanent 5» das Veto-Recht nicht zugesichert, wäre die UNO wohl nicht entstanden.
Dessen ungeachtet haben sich die geopolitischen Verhältnisse in den vergangenen siebzig Jahren massgeblich geändert – nicht aber die wesentlichen Strukturen und die Arbeitsweise der Organisation. «Die Zusammensetzung des Sicherheitsrates widerspiegelt die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg», schimpfte diesbezüglich einst der ehemalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan.
Dass das System nicht unproblematisch sei, zeige sich immer wieder, sagt auch SRF-Korrespondent Fredy Gsteiger.
Wichtigstes Ziel des Sicherheitsrates ist gemäss UNO-Charta die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Eine Herkulesaufgabe, an der die Organisation immer wieder scheitert. Klägliches Versagen wird der UNO etwa beim Völkermord in Ruanda, beim Massaker von Srebrenica oder auch jüngst im Syrienkrieg oder beim Ebola-Ausbruch vorgeworfen.
Für jede Reform muss man zwingend die Veto-Mächte gewinnen
Doch Kritiker mögen noch so vehement auf eine Modernisierung der Weltorganisation pochen – revolutionäre Änderungen sind aufgrund der Vormachtstellung der fünf ständigen Mitglieder in naher Zukunft nicht denkbar. «Für jede Reform muss man zwingend die Veto-Mächte gewinnen», sagt Gsteiger. Chancenlos sieht er denn auch die Forderung einiger Mitgliedstaaten, das Veto-Recht komplett abzuschaffen.
Wesentlich vielversprechender sei der Ansatz, die Grossmächte zu verpflichten, zumindest in Fällen von Genozid, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit freiwillig auf ihre Einsprache-Möglichkeit zu verzichten. Die Schweiz engagiere sich diesbezüglich stark. Entsprechende Bestrebungen sind am Laufen und Frankreich hat inzwischen seine Unterstützung signalisiert. «Die Begeisterung Russlands und der USA hält sich hingegen noch in Grenzen», so Gsteiger.
«Steter Tropfen höhlt den Stein»
Eine weitere mögliche Reform wäre die Schaffung neuer permanenter Sitze im Sicherheitsrat. Der ganz grosse Wandel dürfe im Moment zwar nicht erwartet werden. «Doch steter Tropfen höhlt den Stein», findet Gsteiger. «Zwingen lassen sich die Veto-Mächte zu nichts. Aber die Mitgliedstaaten können sich weiter zusammenschliessen und Druck auf die ‹Permanent 5› ausüben.»
Zudem gehe oft vergessen, dass bereits einige, nicht unbedeutende, Reformen durchgesetzt worden seien. «Der Sicherheitsrat ist insgesamt transparenter geworden und muss mehr Rechenschaft ablegen – auch dank den Bemühungen der Schweiz.»