Was im März 2011 mit Demonstrationen gegen das Assad-Regime begann, hat sich zu einem multilateralen, komplett unübersichtlichen Bürgerkrieg mit Hunderten von Kriegsparteien und zu einem Stellvertreter-Krieg der Grossmächte und der Regionalmächte im arabischen Raum entwickelt. Die Fronten verlaufen quer durch Städte und Dörfer, immer wieder geraten Zivilisten ins Kreuzfeuer der Kriegsparteien. Man rechnet mit weit über 250‘000 Toten in diesem nicht enden wollenden Krieg.
Kampf um Aleppo
Gerade in diesen Tagen wird wieder heftig um die älteste Stadt in Syrien gekämpft: Aleppo. Einst die Wirtschaftsmetropole in Syrien schlechthin. Eine multikulturelle Stadt. Bis zu 20 Prozent Christen, Sunniten, Schiiten, Kurden oder Turkmenen. Die Altstadt zählt seit 1986 zum Weltkulturerbe.
Im Juli 2012 wird Aleppo durch die Kämpfe zwischen syrischen Regierungstruppen und Rebellen-Gruppen in Trümmer gelegt, und jetzt wiederholt sich die Geschichte erneut: Die Armee von Machthaber Baschar al-Assad intensiviert mit Hilfe der russischen Luftwaffe ihre Angriffe auf Versorgungslinien der Aufständischen nördlich der Stadt Aleppo.
Fast zwölf Millionen Menschen haben Ihr Zuhause verloren und sind in Syrien oder ausserhalb Syriens auf der Flucht. Zwischen vier und fünf Millionen Menschen leben nach verschiedenen Schätzungen nicht mehr in Syrien, sondern in den Nachbarländern oder sind in andere Staaten und nach Europa geflüchtet. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura verhandelt seit Freitag in Genf mit Vertretern der syrischen Regierung und der Opposition über einen Friedensplan.
Lieber Pest als Cholera
Für Nahostexperte Michael Lüders ist klar: Ein Friedensplan ohne Einbezug von Assad ist zum Scheitern verurteilt. Der Westen habe sich seit Beginn des Aufstandes 2011 verkalkuliert, als er auf eine Absetzung Assads spekuliert habe: «Damit wären Russland und der Iran geschwächt worden, Russland hätte seine einzige Marinebasis verloren. Dieser Schuss ist aber furchtbar nach hinten losgegangen. Assad sitzt nach wie vor fest im Sattel.» Dies vor allem natürlich auch, seit die Russen im Konflikt mitmischen. Laut Lüder sagen sich viele: «Die Pest, die wir kennen ist uns lieber als die Cholera, die uns bei einem Durchmarsch radikaler Islamistischer Gruppierungen erwartet, unter dem vor allem die religiösen Minderheiten zu leiden hätten.» Damit ist vor allem natürlich auch der Islamische Staat (IS) gemeint – sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner aller Konfliktparteien und der Gross- und Regionalmächte in der Region. Was aber laut Lüders nicht vergessen werden darf: Gemässigte Rebellen gibt es kaum mehr, die meisten Kämpfer in der Region haben mittlerweile radikal-islamischen Hintergrund.
Dass der Westen sich verkalkuliert hat, bestätigt auch SRF-Nahostkorrespondent Pascal Weber. Aber ein Friede mit Assad ist für ihn unmöglich. «Wen sie auch fragen in Syrien auf seiten der Aufständischen jeglicher Couleur, jihadistisch oder säkular - alle sind der Meinung, Assad muss weg. Nun ist leider die Tatsache auf dem Boden in Syrien so, dass Assad weder je ganz Syrien wieder beherrschen wird, noch ist es so, dass die Aufständischen Assad je vom Thorn stossen können. Der Krieg wird also so lange weitergehen, wie Assad an der Macht ist», erklärt Weber in der Sendung #SRFglobal.
Am ehesten wird es in Syrien wohl zu einer Teilung der Macht und der Gebiete kommen und zumindest vorübergehend wird der Westen Assad als Faktor akzeptieren müssen, glauben viele. Die Russen haben es geschafft, Assad wieder an die Verhandlungstische zu bringen, erklärt SRF-Russland-Korrespondent Christof Franzen. Und Russland wird weiter eine entscheidende Rolle auf dem diplomatischen Parkett spielen wollen – und damit Assad wohl weiterhin im Spiel halten.