SRF: Der UNO-Sicherheitsrat hat sich am Freitag erstmals auf eine Resolution zu Syrien geeinigt. Ist das der Durchbruch?
Markus Kaim: Es ist in der Sache noch nicht der Durchbruch. Aber es ist ein positives Zeichen. Zum ersten Mal seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien spielt der Sicherheitsrat die Rolle, die ihm laut UNO-Charta zukommt – nämlich für internationale Sicherheit und Frieden auf der Welt zu sorgen. Wir sehen erstmals ansatzweise einen Konsens, aber das gibt noch keine Auskunft darüber, was nun in den nächsten Wochen passieren wird.
In der UNO-Resolution kommt der Name von Präsident Assad kein einziges Mal vor – realpolitische Taktik oder schlicht ein fauler Kompromiss?
Es ist zumindest eine Illustration dessen, dass nicht alles eitel Sonnenschein ist. Es gibt sehr unterschiedliche Positionen. Viele westliche Regierungen unter Führung der USA sehen keine Zukunft für Präsident Assad. Es gibt aber auch eine andere Fraktion – und zu der gehört nicht nur Russland – die zumindest für eine Übergangszeit der Meinung ist, dass man an Assad festhalten müsse.
Bedeutet das, dass man sich bald wieder endlos streitet und die Befriedung Syriens aus den Augen verlieren wird?
Viele Fragen im Detail sind noch gar nicht geregelt. Sie werden ganz bewusst Teil der im Januar beginnenden Verhandlungen sein. Was jetzt geleistet worden ist, das ist nicht mehr, als einen Verhandlungsprozess aufzusetzen und mit einem Zeitplan zu versehen. Ob dieser Zeitraum dann auch eingehalten wird, ist schwierig zu beurteilen. Der Ball liegt nun bei denen, die ab Januar miteinander verhandeln sollen, nämlich Vertreter der syrischen Regierung und der Opposition.
Die Oppositionsgruppe der nationalen syrischen Koalition hat bereits abgewunken. Der Plan habe keinerlei Chancen, ein Waffenstillstand im ganzen Land sei ohnehin illusorisch.
Wir stellen fest, dass es sich bei den Oppositionsgruppen um sehr heterogene Gruppierungen handelt. Entsprechend schwierig ist es, von einer repräsentativen und in sich geschlossenen Opposition zu sprechen. Im Gegenteil: Wir haben es mit einem bunten Strauss von unterschiedlichen Interessen und sehr vielen Differenzen zu tun. Das erklärt, warum einige Gruppierungen gar nicht an den Gesprächen teilnehmen werden.
Im Januar sollen die Gespräche mit Assad beginnen. Parallel zur Diplomatie bekämpft eine bunte Allianz den Islamischen Staat. Wie passt das zusammen?
Das ist wohl die Quadratur des Kreises. In weiten Teilen Syriens – vor allem denjenigen, die vom IS kontrolliert werden – wird auf absehbare Zeit weiter gekämpft werden. Es bleibt abzuwarten, wie in einem solchen Land in den nächsten sechs Monaten eine Übergangsregierung formiert werden und in 18 Monaten freie Wahlen stattfinden sollen. Der Zeitplan ist sehr ambitioniert und droht, wahrscheinlich nach hinten auszufächern.
Ist es realistisch zu hoffen, dass das kriegszerstörte Syrien je wieder auf dem früheren Territorium auferstehen könnte?
Zumindest ist das die Verhandlungsposition derer, die nun diesen Prozess eingefädelt haben. Es geht um ein Syrien, dessen territoriale Integrität halten wird. Aber ich wäre nicht verwundert, wenn im Laufe des Verhandlungsprozesses dieses Ziel nicht erreicht werden kann. Die Wirklichkeit wird sich in den nächsten zwei Jahren vielleicht nicht an das halten, was die politischen Planer avisiert haben.
Das Interview führte Ursula Hürzeler.