Das neue Schlagwort in der hitzigen Debatte um die deutsche Flüchtlingspolitik heisst Transitzonen: Demnach soll in grossen Flüchtlingslagern – entlang der deutsch-österreichischen und der deutsch-tschechischen Grenze, wo die meisten Flüchtlinge einreisen – innert 48 Stunden entschieden werden, wer nach Deutschland darf und wer abgewiesen wird.
Seehofer prescht vor
Der Vorschlag der bayrischen CSU erntet Zustimmung und Ablehnung innerhalb der deutschen Regierung spaltet. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Parteichef Horst Seehofer hat schon seit Tagen Druck auf die Kanzlerin und damit auf die Regierung in der Flüchtlingsfrage ausgeübt. Nun hat Seehofer selber Massnahmen vorgeschlagen.
Diese sehen Transitzonen für Flüchtlinge an der Landesgrenze vor. Dort sollen deutsche Beamte innerhalb von zwei Tagen eine Vorwahl treffen. Wer nicht schutzbedürftig ist – also aus einem sicheren Herkunftsland kommt – oder wer keinen gültigen Pass hat, kommt erst gar nicht ins Land hinein.
Ein Vorschlag, den die Bundeskanzlerin gestern Abend öffentlich gutgeheissen hat. «Jetzt müssen wir alle Möglichkeiten, die wir rechtlich haben nutzen», sagte sie an einer CDU-Veranstaltung. Würde zum Beispiel ein Land wie Bayern sagen, dass es davon (Transitzonen, Anm. d. Red.) Gebrauch machen möchte, dann solle man das ermöglichen, erklärte Merkel.
SRF-Korrespondent Adrian Arnold erklärt, dass es momentan nach der Einrichtung solcher Transitzonen aussehe, weil die Union geschlossen diese Transitzonen wolle und weil die Mehrheit der Bevölkerung genau solche Massnahmen von der Regierung erwartet.
CSU-Parteichef Horst Seehofer zeigte sich diesbezüglich entsprechend zufrieden vor den Medien.
Anders sieht die Gemütslage beim Koalitionspartner SPD aus. Justizminister Heiko Maas will gar nichts von Transitzonen wissen und Fraktionschef Thomas Oppermann spricht von menschen-unwürdigen Haftlagern. «An der deutsch-österreichischen Grenze Haftanstalten für Tausende von Flüchtlingen zu bauen – das halte ich nicht für vorstellbar, das wäre unmenschlich und auch praktisch undurchführbar», erklärte Oppermann.
Prüfstein für die Regierung
Laut Adrian Arnold droht der Regierung deshalb das Zerwürfnis, auch weil schon der Bundestagswahlkampf 2017 begonnen habe. «Da beginnen sich die Parteien voneinander abzugrenzen.» Gerade für die drei Regierungsparteien sei das ein sehr gefährliches Spiel. «Die Deutschen erwarten von ihnen jetzt Lösungen und Antworten in dieser Flüchtlingsfrage. Und wenn sie diese nicht liefern können, dann werden sie am Schluss alle drei als Verlierer dastehen und dann dürften jene profitieren, die jetzt am rechten Rand lauern: Parteien und kleine Gruppierungen», sagt der Deutschland-Korrespondent.
Trotz Widerstand – für die Errichtung von Transitzonen will Merkel schon in den nächsten Tagen erste rechtliche Grundlagen schaffen. Für sie sei es ein wichtiges Signal, sagt Adrian Arnold. «Sie weiss, das es jetzt schnelle Resultate braucht, damit die Bevölkerung bei ihrer offenen Flüchtlingspolitik mitzieht», erklärt er.