Der Präsident des deutschen Bundestages, Norbert Lammert von der CDU, richtete sich direkt an den türkischen Präsidenten Recep Tayip Erdogan, ohne ihn beim Namen zu nennen: «Die zum Teil hasserfüllten Drohungen und Schmähungen sind leider auch durch Äusserungen hochrangiger türkischer Politiker gefördert worden.»
Solidarität mit Abgeordneten
Die Drohungen gegen deutsche Abgeordnete mit türkischen Wurzeln – unter ihnen der Grün Cem Özedemir und die sozialdemokratische Integrationsministerin Aydan Özoguz – seien ein Angriff aufs gesamte deutsche Parlament, sagte Lammert. Er sprach den betroffenen Abgeordneten die Solidarität des Parlamentes aus. «Die Verdächtigung von Mitgliedern dieses Parlaments als Sprachrohr von Terroristen weise ich in aller Form zurück.»
Seit der Abstimmung über die Armenienresolution, in der der Massenmord an den Armeniern als Völkermord bezeichnet wird, werden einzelne Parlamentarier mit Schmähungen überzogen, auch von Präsident Erdogan persönlich. Erdogan bezeichnete sie als verlängerten Arm der kurdischen Arbeiterpartei PKK und ging so weit, einen Bluttest von den türkischstämmigen deutschen Parlamentariern zu verlangen.
Lammert: «Das hätte ich nicht für möglich gehalten»
Lammerts Reaktion: «Dass ein demokratisch gewählter Staatspräsident im 21. Jahrhundert seine Kritik an demokratisch Gewählten des deutschen Bundestages mit Zweifeln an deren türkischer Abstammung verbindet, ihr Blut als verdorben bezeichnet, hätte ich nicht für möglich gehalten.»
Auch Kanzlerin Angela Merkel applaudierte bei diesen Worten im Bundestag. Lammert rief die grossen türkischen Organisationen in Deutschland auf, Partei für die gewählten Abgeordneten und für die Demokratie zu ergreifen. Der Präsident des europäischen Parlamentes, Martin Schulz, wirft Präsident Erdogan in einem Brief inakzeptable Entgleisungen vor und nennt sie einen «absoluten Tabubruch».