Der Papst unterstützt Trump. Clinton hat Parkinson: Das sind nur zwei von vielen Falschmeldungen, die während des US-Wahlkampfs hundertausendfach in den sozialen Medien geteilt und gelesen wurden. Fake-News entwickeln sich zum ernsthaften Problem. Auch die Politik zeigt sich besorgt.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel etwa hat eine Regulierung von Facebook und anderen sozialen Medien zur Diskussion gestellt. Der Zürcher IT-Anwalt David Rosenthal hält das für überflüssig, wie er letzte Woche gegenüber Radio SRF sagte. Die sozialen Medien regulierten sich selbst. Medienwissenschaftler Manuel Puppis widerspricht.
SRF News: Können sich soziale Medien tatsächlich selbst regulieren?
Manuel Puppis: Das sehe ich nicht so. Natürlich können Konsumentinnen und Konsumenten durch ihre Entscheidung, bestimmte Plattformen zu benutzen, Einfluss nehmen. Aber Plattformanbieter wie Facebook haben wenige Anreize, Fake-News zu beseitigen, solange sie damit kommerzielle Ziele erreichen können. Falschmeldungen sind ein Phänomen, das uns künftig noch stärker beschäftigen wird.
Setzen Fake-News das Funktionieren der Demokratie aufs Spiel?
Wenn wir ganz hoch greifen, kann man das tatsächlich unterstellen. Um demokratisch mitzubestimmen zu können, brauchen wir politische Informationen. Medien spielen dabei eine zentrale Rolle. Heute liefern aber auch Social Media Informationen. Wir sollten jedoch Social Media und Fake-News zum heutigen Zeitpunkt auch nicht überschätzen. Sie haben sicher nicht die US-Wahlen entschieden, da immer noch traditionelle Massenmedien eine wichtige Rolle gespielt haben. Gerade in der Kerngruppe von Donald Trumps Wählerschaft werden Social Media unterdurchschnittlich genutzt. Aber Social Media und Fake-News spielen eine immer wichtigere Rolle, weil sich damit Geld verdienen lässt.
Falschmeldungen sind ein Phänomen, das uns künftig noch stärker beschäftigen wird.
Sehen sie Handlungsbedarf was die Fake-News betrifft?
Ja, durchaus. Das Phänomen wird sich in Zukunft noch intensivieren. Social Media werden noch eine grössere Rolle spielen, weil der Medienkonsum vermehrt auf diesen Plattformen, und nicht mehr auf den Internet-Seiten der traditionellen Medienhäuser stattfindet. Die Algorithmen, die darüber bestimmen, welche Informationen mir angeboten werden, sind nicht transparent und funktionieren nicht nach journalistischen Funktionskriterien, sondern wurden rein nach kommerziellen Gesichtspunkten entwickelt.
Facebook hat einen Sieben-Punkte-Plan zur Selbstkontrolle publiziert. Kann das funktionieren?
Staatliche Regulierungen allein können dieses Problem nicht in den Griff zu bekommen. Es braucht einen komplexen Mix verschiedener Regeln, die die Unternehmen und die Branche selbst entwickeln. Aber es gibt auch eine Rolle für den Staat. Ich glaube durchaus, dass Unternehmen wie Facebook bei Fake-News etwas tun könnten. Schon bei der Programmierung ihrer Algorithmen und Angebote könnten sie sich Gedanken über die gesellschaftlichen Folgen machen. Beiräte könnten dabei eine zentrale Rolle spielen. Auch Selbstverpflichtungen der Branche könnten relevant sein. Indes ist es fraglich, ob die Social-Media-Unternehmen auch ein Interesse daran haben. Denn mit dem Geschäftsmodell von Facebook lässt sich sehr viel Geld verdienen.
Die Social Media wollen sich nicht als Medienunternehmen sehen, denn das hiesse mehr Kontrolle und Regulierung.
Wo sehen Sie die Rolle des Staats?
Staatliche Regulierung in diesem Bereich ist nicht einfach, weil sich die Technik sehr schnell entwickelt und es auch heikel wird, wenn es um die Regulierung politischer Information geht. Doch der Staat kann nicht alle Gefahren, die die neuen Technologien mit sich bringen, an die Nutzer delegieren. Er könnte sicherlich im Bereich Medienkompetenz aktiv werden. Viele Nutzerinnen und Nutzer können nicht zwischen journalistischen und anderen Inhalten unterscheiden. Damit wir uns über Politik informieren können, brauchen wir die Fähigkeit, Informationen und Quellen beurteilen zu können. Wir brauchen aber auch eine Vorstellung davon, wie Social Media funktioniert. Firmen könnten auch zur Transparenz über ihre Algorithmen verpflichtet werden. Der Staat könnte zudem steuerliche Anreize schaffen, damit sich die Unternehmen dieses Themas annehmen. Es wäre auch denkbar, dass Service-Public-Organisationen europaweit zusammenarbeiten, um alternative Plattformen zu entwickeln.
Sind Social Media Medienunternehmen?
Facebook und Co. sind natürlich grundsätzlich technische Plattformen, da sie Informationen verbreiten, aber nicht selbst herstellen. Gleichwohl sind sie mehr, denn sie verteilen die von Medienorganisationen produzierten Inhalte nicht nur, sondern selektieren diese anhand der Algorithmen. Klar ist auch, dass sich die Social Media nicht als Medienunternehmen sehen wollen, denn das hiesse mehr Kontrolle und Regulierung.
Das Gespräch führte Isabelle Jacobi.