Und dann bebte es wieder: Ein Erdbeben der Stärke 7,4 hat um 05.59 Uhr (Ortszeit) die Menschen in der japanischen Region Fukushima im Nordosten in Angst versetzt. Es gab rund ein Dutzend Verletzte, Schulen und Flughäfen wurden sicherheitshalber geschlossen. Der Tsunami verursachte Wellen von über einem Meter, weniger stark als befürchtet. Das langgezogene Beben weckte auch in der Hauptstadt Tokio Erinnerungen, wie Journalist Martin Fritz berichtet.
SRF News: Wie haben Sie in Tokio das Beben heute frühmorgens erlebt?
Martin Fritz: Kurz vor 06.00 Uhr wurde ich durch dieses sehr lang gezogene heftige Beben geweckt. Da macht man sich Sorgen und Erinnerungen an den 11. März 2011 kommen zurück. Als es aufhörte, wusste ich, dass es nicht vergleichbar ist.
Als das lang gezogene Beben aufhörte, wusste ich, dass es nicht mit jenem von 2011 vergleichbar ist.
Warum gab es trotz des starken Bebens keine grösseren Schäden?
Die Zahlen sind immer schwer interpretierbar. Das Erdbeben vor fünf Jahren war mit Stärke 9 wesentlich heftiger. Die Japaner geben die Stärke von Beben mit einer anderen Skala an. Das aktuelle Beben hatte demnach die Stärke von schwachen 5. Das bedeutet, dass Gegenstände umfallen und dass man sich auf dem Boden nicht mehr so gut bewegen kann. Zum Unterschied: Das Beben vor fünf Jahren hatte nach japanischem Massstab die Stärke 7, was für maximale Zerstörung steht.
In Fukushima fiel vorübergehend die Kühlung in einem Becken für hochradioaktive Brennstäbe aus. Ist dort alles in Ordnung?
Dieses Mal war der Tsunami in Fukushima ungefähr einen Meter hoch und hat an den elektrischen Anlagen keinen Schaden angerichtet. Der Fehler mit dem Kühlbecken war offenbar durch Erschütterungen bedingt. Betroffen war zudem nicht um das vor fünf Jahren zerstörte Kraftwerk Daiichi, sondern das rund ein Dutzend Kilometer weiter südlich gelegene Kraftwerk Fukushima Daini, das auch zu Tepco gehört. Alle Reaktoren wurden abgeschaltet.
Die Störung im Kühlbecken wurde offenbar durch Erschütterungen ausgelöst.
War man diesmal besser vorbereitet oder hätte es bei einer höheren Flutwelle auch schlimmer kommen können?
Das AKW Fukushima Daiichi wurde nach der Katastrophe besser gegen einen Tsunami geschützt. Eine Welle wie vor fünf Jahren würde heute durch neue Dämme und Mauern eher gebrochen werden. Grundsätzlich bleibt aber die Gefahr weiter gross, weil das Kraftwerk auf Meereshöhe steht und durch jeden starken Tsunami gefährdet ist.
AKW-Betreiberin Tepco versichert wie bereits 2011, man habe alles im Griff. Stimmt das?
Das glaubt hier natürlich niemand mehr. Sobald Tepco erklärt, alles sei unter Kontrolle, kommen Zweifel auf. Verdächtig ist auch, wie rasch diese Erklärungen jeweils kommen. Denn das Kraftwerksgelände ist riesig und teilweise gar nicht für Menschen zugänglich. Es ist geradezu ein bisschen frech, so rasch jegliche Schäden auszuschliessen. Insofern sind die Zweifel wohl angebracht.
Es ist geradezu ein bisschen frech, so rasch jegliche Schäden auszuschliessen.
Vor weitere Nachbeben wird gewarnt. Wird die Bevölkerung darauf vorbereitet?
Das heutige Beben wurde von den Behörden als ein Nachbeben des Jahrhundertbebens vor fünf Jahren eingestuft. Damit erfolgte die Warnung, dass innerhalb der kommenden sieben Tage ein weiteres Nachbeben kommen könnte.
Wird in Fukushima Daiichi noch immer aufgeräumt?
Man hat grosse Fortschritte gemacht. Es arbeiten dort aber weiterhin jeden Tag ungefähr 7000 Menschen. Nur noch ein Teil muss Atemschutzmasken und Schutzanzüge tragen. Die übrigen tragen normale Arbeitskleidung und Gesichtsmasken. Nun müssen die Reaktoren von oben geöffnet werden, um die abgebrannten Brennstäbe aus den Kühlbecken zu holen. Diese lagern dort in den oberen Stockwerken. Erst dann kann man die Reaktoren öffnen und den geschmolzenen Kernbrennstoff bergen. Das wird noch Jahrzehnte dauern.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.