Was wird überhaupt gewählt?
Zur Wahl stehen die 150 Sitze in der Zweiten Kammer des niederländischen Parlaments. Vergeben werden sie nach dem Verhältniswahlrecht. Eine prozentuale Hürde wie etwa in Deutschland existiert nicht; auch kleine Parteien haben deshalb Chancen. Insgesamt treten 28 Parteien an.
Wer regiert künftig in Den Haag? Die Szenarien.
- Wilders wird Ministerpräsident: Das ist praktisch unmöglich. Wilders' PVV könnte nur dann alleine regieren, wenn sie 76 der 150 Mandate erringt. Davon ist die PVV weit entfernt. Keine andere Partei will eine Koalition mit Wilders. Mit einer Ausnahme: die Seniorenpartei 50PLUS. Aber auch damit wird es nicht reichen.
- Premier Mark Rutte macht weiter: Der rechtsliberale Ministerpräsident hat trotz Verlusten beste Chancen, zum dritten Mal eine Regierung zu bilden. Doch dazu braucht er mindestens drei Parteien, die eine Koalition eingehen wollen. Mögliche Partner wären die christdemokratische CDA und die linksliberale D66, aber auch die grüne Partei GroenLinks. Ob Ruttes bisheriger Partner, die sozialdemokratische Partei für die Arbeit, nochmal will, ist indes fraglich.
- Mitte-links-Regierung: Das wäre eine Überraschung, doch rechnerisch ist es nicht unmöglich. Die Sozialdemokraten, die Sozialisten und GroenLinks könnten sich schnell einigen. Sie verstehen sich auch relativ gut mit den Linksliberalen der D66 und der linken ChristenUnie. Aber: Die konservativen Christdemokraten würden wohl nicht mitmachen.
- Minderheitsregierung: Angesichts der total zersplitterten Parteienlandschaft ist auch das gut möglich. Die rechtsliberale VVD könnte eine Minderheitsregierung mit den Christdemokraten und den Linksliberalen bilden. Diese würde wohl von den Sozialdemokraten, den Grünen und anderen kleineren Parteien geduldet werden.
Wieso ist die Wahl wichtig für Europa?
Die Parlamentswahl in den Niederlanden ist nur eine zahlreicher wichtiger Wahlen in Europa dieses Jahr. Und überall gilt das gleiche: Die etablierten politischen Kräfte sind unter Druck. Nationalistische und populistische Kräfte haben Auftrieb. Der Wahl in den Niederlanden wird deshalb Signalwirkung zugeschrieben.
Weshalb ist Migration ein so grosses Thema?
In den Niederlanden leben relativ viele Zuwanderer. Das liegt vor allem an den ehemaligen Kolonien, aus denen viele Menschen einwanderten. Derzeit haben gut 20 Prozent der rund 17 Millionen Einwohner einen Migrationshintergrund. Davon kommt die Hälfte aus nicht-westlichen Ländern.
In den drei grossen Städten Amsterdam, Rotterdam und Den Haag hat jeder dritte Einwohner einen nicht-westlichen Migrationshintergrund. Knapp sechs Prozent der Bevölkerung sind Muslime.
2015 nahmen die Niederlande rund 57'000 Flüchtlinge auf, davon kamen 28'000 aus Syrien. 2016 wurden 31'000 Asylanträge gestellt, etwa ein Drittel davon von Syrern. Viele Flüchtlinge kommen auch aus dem Irak, aus Afghanistan und Somalia.
Was will Geert Wilders?
Rechnerisch mag Geert Wilders keine Chancen haben, neuer Premier zu werden. Trotzdem dreht sich alles um ihn. Mit seiner PVV – deren einziges Mitglied er übrigens ist – treibt Wilders die anderen Parteien vor sich her. Sein Programm, in einem Slogan: «Nederland weer van ons» (Die Niederlande wieder für uns).
«Nederland weer van ons», das heisst für Wilders: Austritt aus der EU, gegen den Islam, gegen Flüchtlinge. Moscheen? Will Wilders verbieten. Und den Koran gleich mit.
Auch andere Parteien schreiben sich das Bewahren niederländischer Traditionen auf die Fahne. Im Volk treffen sie damit einen Nerv. Das Forschungsinstitut SCP stellte vor kurzem fest: Rund 40 Prozent der Bürger gehen davon aus, dass durch die Zuwanderung ihre nationale Identität verloren geht.
Wie nervös alle sind, mag dieses Beispiel zeigen. Eine Supermarktkette pries jüngst seine Ostereier nicht als solche an. Sondern als «Versteckeier». Was Geert Wilders prompt als Kniefall vor dem Islam deutete. Und auch Premier Mark Rutte fühlte sich bemüssigt, sich zu äussern.
Das wurde dann sogar dem Moderator eines christlichen Radiosenders zu bunt: «Nun machen Sie mal halblang», fuhr er den Premier in einer Live-Sendung an. «Das Osterei? Das ist noch nicht einmal ein christliches Symbol!»
Geht es den Niederländern denn schlecht?
Die Zahlen sagen: nein. Die Wirtschaft nimmt immer mehr Fahrt auf, wie die neusten Daten des Statistischen Amts der Niederlande zum 4. Quartal 2016 (BIP-Wachstum, wirtschaftliche Gesamtlage) zeigen.
- Mit 2,1 Prozent gab es im Gesamtjahr 2016 das stärkste Wirtschaftswachstum seit neun Jahren. Damit setzt sich der Trend der vergangenen Jahre fort:
- Die Verbraucher gaben wieder mehr Geld aus. Besonders beliebt: Kleidung, Autos und elektronische Geräte.
- Die Exporte sind gestiegen.
- Die Arbeitslosigkeit ging von 5,8 auf 5,5 Prozent zurück. Allerdings räumen auch die Statistiker ein: Nicht bei allen Bürgern ist der Aufschwung angekommen.
Die Niederlande sind nach Deutschland der zweitgrösste Exporteur der EU. Die Ausfuhr von Waren und Dienstleitungen trägt zu mehr als 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bei:
- Exportschlager sind Maschinen und Maschinenteile.
- Auf Rang zwei liegt der Gas-Export. Die Niederlande profitieren von Erdgasvorkommen vor ihrer Küste.
- Platz drei belegen Tulpen, Blumenzwiebeln und Co. Ebenfalls unter den Top Ten finden sich Fleisch, Milchprodukte, Gemüse und Kartoffeln.