Zum Inhalt springen
Audio
Die Anschläge in der Türkei lösen grosse Verunsicherung aus
Aus SRF 4 News aktuell vom 12.12.2016.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 6 Sekunden.

Nach dem Anschlag in Istanbul Die «Freiheitsfalken Kurdistans» sind zurück

PKK-Splittergruppe oder nicht? Was unterscheidet die radikale Gruppe, die sich zum Anschlag bekannt hat, von der PKK? Und was sind ihre Gemeinsamkeiten?

Wer sind die «Freiheitsfalken Kurdistans»? Über die Gruppe ist wenig bekannt. Es existiert weder ein Gründungsdatum noch weiss man, wie gross die Organisation ist. Laut Eigenangaben auf der Homepage der Organisation gibt es die TAK (für «Teyrêbazên Azadiya Kurdistan») seit 2004.

Verglichen mit der PKK: Aus den Erklärungen der TAK geht hervor, dass einige ihrer Aktivisten früher PKK-Mitglieder waren. Doch infolge der Friedensbestrebungen der PKK haben diese der Partei wohl den Rücken gekehrt. Das Gründungsjahr 2004 fällt zeitlich nahezu mit der Beendigung des ursprünglich 1999 von der PKK ausgerufenen Waffenstillstands zusammen.

Video
Anschlag in Istanbul
Aus Tagesschau vom 11.12.2016.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 48 Sekunden.

Ihre militärischen Ziele: Die TAK erklärt jegliche staatliche Einrichtung und die Wirtschaft der Türkei zu ihren kriegerischen Zielen. Auf ihrer Webseite verkünden sie, mit den beiden aktuellen Anschlägen in Besiktas habe man auf die türkischen Militäroperationen im Südosten des Landes aufmerksam machen wollen. Solange diese anhielten, könne niemand erwarten, ein geruhsames Leben in der Türkei führen zu können. Daneben greift die TAK den Tourismussektor, Orte wie Istanbul, Kusadasi, Çesme oder Antalya an. Ihre Begründung: Einnahmen aus dem Tourismus würden den türkischen Krieg gegen die Kurden mitfinanzieren. Dazu ein Zitat aus einem Bekennerschreiben:

Wir warnen alle ausländischen Touristen. Ausländer sind nicht unsere Zielscheibe, aber die Türkei ist nicht länger ein sicheres Land.
Autor: Freiheitsfalken Kurdistans Auszug aus einem Bekennerschreiben

Verglichen mit der PKK: Die PKK verfügt über eigene Guerillakräfte, die allerdings offiziell nur Aktionen gegen militärische und militaristische Ziele durchführen. Die PKK wertet Aktionen, die gegen Zivilisten gerichtet sind, zumindest in der Öffentlichkeit als Kriegsverbrechen und hat 1994 die Genfer Kriegskonvention unterzeichnet, an welche sie sich bis heute gebunden fühlt.

Ihre Vorgehensweise: Meist gehen den Anschlägen der TAK Warnungen an Touristen voraus, die Türkei zu meiden. Dazu schrecken sie neben Sprengstoffanschlägen wie Autobomben auch nicht vor Selbstmordattentaten zurück. Wie aktuell im belebten Istanbuler Stadtteil Besiktas. Die TAK zielt mit ihrem Vorgehen vor allem auf die Destabilisierung des Landes. Sie ist darum vor allem wegen ihrer Anschläge in westlichen türkischen Städten bekannt.

Verglichen mit der PKK: Die PKK verfügt im Unterschied zur TAK über eine politische und gesellschaftliche Perspektive und wird in einigen Ländern als Partei angesehen, so auch in der Schweiz. Sie ist in verschiedene Lebensbereiche organisiert. Militärische Interventionen stellen eine umstrittene Vorgehensweise für die Erreichung ihrer Ziele dar. Diese werden vornehmlich im Osten des Landes durchgeführt, dem Anspruchsgebiet der Kurden.

Ihre Struktur: Einblicke in die Struktur sind schwer zu gewinnen. Offenkundig agiert die Gruppe in kleinen Zellen in den Ballungszentren. Man geht davon aus, dass sie sich aus einer neuen Generation junger Kurden rekrutieren, die in verarmten Quartieren von Istanbul, Izmir und Ankara aufgewachsen sind.

Verglichen mit der PKK: Die kurdische Arbeiterpartei besitzt neben dem militärischen Arm eine klassische Kaderorganisation mit bekanntem Personal und bekannter Struktur.

Ihr Verhältnis zur PKK: Türkische Sicherheitsbehörden bezeichnen die TAK als Untergruppe der PKK. Die TAK hingegen betonte in der Vergangenheit ihre Unabhängigkeit. Und auch die PKK hat vielfach erklärt, dass sie keinerlei Beziehung zur TAK hat. Unter Experten ist das Verhältnis der beiden militanten Gruppen umstritten, eine ideologische Nähe ist ihnen aber nicht abzusprechen. Die TAK tritt zum Beispiel für die Freilassung des seit 1999 inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan ein.

In einer Stellungnahme vom 30. Dezember 2015 erklärt die Gruppe, dass sie die Zielperspektiven, die Aktionsformen und die Taktiken der PKK und anderer kurdischer Gruppen für zu lasch und unwirksam hält und darum ab sofort autonom handelt. Zuletzt wohl im Istanbuler Stadtteil Besiktas.

Anschläge in der Türkei im Jahr 2016

Januar 2016:Bei einem Anschlag im historischen Zentrum Istanbuls werden zwölf Deutsche getötet. Der Angreifer sprengt sich mitten in einer deutschen Reisegruppe in der Umgebung der Hagia Sophia und der Blauen Moschee in die Luft. Der Attentäter gehörte nach Angaben der türkische Regierung dem IS an.
Februar 2016:Bei einem Bombenanschlag auf einen Militärkonvoi im Regierungsviertel von Ankara sterben 30 Menschen, darunter der Selbstmordattentäter. Zu dem Anschlag bekannt sich die TAK. Die türkische Regierung macht die PKK und ihren syrischen Ableger YPG für den Anschlag mitverantwortlich.
März 2016:Bei einem Autobomben-Anschlag in der Hauptstadt Ankara werden mindestens 37 Menschen getötet. Unter den Toten ist mindestens ein Selbstmordattentäter. Zu dem Anschlag bekennt sich später die TAK.
März 2016:Ein Selbstmordattentäter sprengt sich auf der zentralen Einkaufsstrasse Istiklal in Istanbul in die Luft und reisst vier Menschen mit in den Tod, 39 weitere werden verletzt. Drei der Todesopfer sind Israelis, ein weiteres Opfer ist aus dem Iran. Nach Angaben der türkischen Regierung hatte der Attentäter Verbindungen zum IS. Die Terrormiliz selbst bekannte sich nicht zu der Tat.
Juni 2016:Ein Autobomben-Anschlag tötet in Istanbul zwölf Menschen, viele weitere werden verletzt. Bei den Toten handelt es sich um je sechs Polizisten und Zivilisten. Die aus der PKK hervorgegangene militante Splittergruppe Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) bekennt sich zu der Tat.
Juni 2016:Am internationalen Terminal des Atatürk-Flughafens in Istanbul sprengen sich drei Selbstmordattentäter in die Luft. Sie reissen 45 Menschen mit in den Tod, rund 240 Menschen werden verletzt. Die türkische Regierung macht die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verantwortlich.
August 2016:Bei drei gegen die türkische Polizei und Armee gerichteten Anschlägen in den Provinzen Elazig, Van und Bitlis werden 12 Menschen getötet. Es gibt mehr als 200 Verletzte. Ministerpräsident Binali Yildirim macht die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK für die Autobomben vor Polizeieinrichtungen verantwortlich, zu denen sich die PKK später auch teilweise bekennt.
November 2016:Bei einem Anschlag vor dem Gouverneursamt in der südtürkischen Provinzhauptstadt Adana sind nach offiziellen Angaben mindestens zwei Menschen getötet und 33 verletzt worden. Eine Autobombe soll auf dem Parkplatz detoniert sein.
Dezember 2016:Zwei Explosionen erschüttern den Istanbuler Stadtteil Besiktas nach dem Ende eines Fussballspiels. Die Behörden sprechen von mindestens 29 Toten und 166 Verletzten. Die Täter sollen mindestens eine Autobombe gezündet haben.

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel