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International Die Geldströme der Terror-Organisation Islamischer Staat

Wer nach den Gründen für den dramatisch schnellen Vormarsch der Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) sucht, findet bald einmal die Antwort: Geld, viel Geld. Auf zwei Milliarden Dollar schätzt Islamwissenschaftler Reinhard Schulze die Barmittel des IS. Aber woher kommt das viele Geld?

Geschäfte mit Erdöl, Handel mit Antiquitäten, Gelder aus Erpressung und Schutzzölle – die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) hat viele Einnahmequellen. Schon vor der Invasion im Irak war die Kriegskasse des IS mit fast 900 Millionen Dollar prall gefüllt. Das zeigen Informationen auf Speicher-Sticks, die irakische Truppen bei den Anführern des IS gefunden hatten.

Zudem fielen dem IS bei seiner Eroberung der nordirakischen Stadt Mossul umgerechnet 420 Millionen Dollar aus einem Überfall der irakischen Zentralbank in die Hände.

Das eroberte Territorium macht den IS reich

Der Islamwissenschaftler Reinhard Schulze von der Universität Bern sagt aber gegenüber «10vor10», dass die Mittel des IS heute weit grösser sind und schätzt ihre Barmittel auf zwei Milliarden Dollar!

Kämpfer des Islamischen Staats in Siegerpose auf einem Pick-up-Fahrzeug.
Legende: Für 2500 Dollar rüstet der IS einen Kämpfer aus, hier auf einem Pick-up-Fahrzeug in Mossul im JUni 2014. Reuters

Die Geldquellen erschliessen sich in den eroberten Gebieten, sei es durch Erpressung, Schmuggel und auch aus Steuern, die erhoben werden.

Die ursprüngliche Startfinanzierung der Terror-Gruppe ISIS (Islamischer Staat in Irak und Syrien) ergab sich aus «Erbschaften» der Al-Kaida. Die ISIS war nämlich zu Beginn ein Verband der Al-Kaida. Von ihr stammten Überweisungen aus Pakistan an die kämpfenden Einheiten in Irak und Syrien, die sich heute nur noch Islamischer Staat (IS) nennen.

Spenden haben nur noch eine kleine Bedeutung

In früheren Jahren waren Spenden aus den sunnitischen Golfstaaten eine wichtige Geldquelle. «Der Geheimdienst Saudi-Arabiens mag bis 2009 eine Rolle bei Unterstützungszahlungen gespielt haben. Aber seit Saudi-Arabien 2014 den IS auf die Terrorliste gesetzt hat, ist diese Quelle versiegt», erklärt Schulze.

Aus seiner Sicht gibt es derzeit keinen islamischen Staat mehr, der die IS direkt finanziert. Heute stammen nur noch 30 Prozent der Gelder des IS aus Spenden und diese kommen nur noch von Privatpersonen aus Kuwait oder Saudi-Arabien.

Mit den rund zwei Milliarden Dollar ist die Kriegskasse prall gefüllt. Dieser Betrag summierte sich aus Eroberungen von grossen Gebieten in Nordirak und Syrien, die auch ökonomisch etwas gebracht haben, etwa durch Zugriff auf Erdöl oder Landwirtschaftsprodukte.

Karte Naher Osten, Syrien und Irak und die Ausbreitung des IS.
Legende: Der Islamische Staat hat ein riesiges Territorium unter seiner Kontrolle und verdient Geld mit Zöllen und Schmuggel. SRF

Das sei übrigens auch der Hauptunterschied zwischen dem IS und der Al-Kaida, erklärt Schulze: «Die Al-Kaida war seinerzeit noch auf Spenden angewiesen, weil sie über kein Territorium verfügt hatte. Der IS hingegen kontrolliert heute ein weiträumiges Territorium, kann Güter über Grenzen schmuggeln und Zölle erheben.»

Die Geldflüsse für die Terrorzellen von Al-Kaida konnten damals ausgetrocknet werden, was bei IS, die selbstbewusst ihr Territorium verteidigt, nicht mehr möglich ist.

Die unbekannten Geldströme

Über die Geldströme wisse man wenig, sagt Schulze. «Wenn Gelder fliessen, dann nur über sehr informelle Transaktionssystem. Es bestehe der Verdacht, dass vieles auch mit dem islamischen Überweisungssystem ‹Hawala› funktioniert, dass auch für Experten kaum zu durchschauen ist.»

Das Hawala-Finanzsystem

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Das Hawala (übersetzt «überweisen», «Vertrauen») ist ein weltweit funktionierendes informelles Geld-Überweisungssystem. Damit kann Bargeld schnell, «spurlos» und günstig transferiert werden. Es basiert auf Vertrauen, dass einem Überbringer entgegengebracht wird, der einem Empfänger an einem entfernten Ort gegen ein Codewort das Geld aushändigt.

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate versuchen, diese informellen Transaktionen zu kontrollieren, was aber kaum möglich ist. Schulze illustriert dies am Beispiel eines Spendenaufrufs in Syrien. Damals wurden die Menschen in der Golfregion aufgerufen, jeder solle 175 Dollar spenden, um 50 Gewehrkugeln zu finanzieren. Oder mit 2500 Dollar könne die Ausrüstung für einen Kämpfer finanziert werden. Diese Spenden gingen nach Kuwait auf eine Bank und wurden dann nach Syrien oder Irak gebracht. Die Spender wissen so nicht, für wen sie gespendet haben. Aber so sei viel Geld ins Land gekommen, dass dann beim IS gehortet wird.

Inzwischen sei der IS nicht mehr von Spenden abhängig, sagt Schulze. Darum könne der IS auch nicht mehr «ausgehungert» werden, weil er seine Gelder durch Wertschöpfung im Lande generiert.

Und Gelder braucht der IS: Laut Schulze muss er seine Kämpfer bezahlen, Clan- und Stammesführer bestechen und laufend Waffen, Ausrüstung und Lebensmittel finanzieren. Von den zwei Milliarden Dollar Vermögen fliessen pro Jahr rund 20 bis 30 Prozent ab, aber der IS nehme auch in seinem immer grösser werdenden Territorium laufend neue Gelder ein.

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