In Syrien gehen die Kämpfe wieder unvermindert weiter. Heftig sind auch die Diskussionen im UNO-Sicherheitsrat, der zurzeit darüber berät, wie die Waffenruhe in Syrien doch noch gerettet werden könnte. Die Spannungen zwischen den USA und Russland sind gross, was die diplomatischen Bemühungen um eine Entspannung in Syrien nicht wirklich einfacher macht.
SRF News: Was genau diskutiert der UNO-Sicherheitsrat?
Fredy Gsteiger: Es gibt zumindest einen minimalen Konsens darüber, dass die Waffenruhe weiterverfolgt werden soll, die man vor gut zehn Tagen in Genf beschlossen hat. Allerdings ist das Vertrauen in diesen Weg sehr gering. Die Sitzung des UNO-Sicherheitsrats verläuft äusserst emotional und kontrovers. US-Aussenminister John Kerry hat möglicherweise die beste Rede seiner Karriere gehalten – man könnte es sogar eine Wut-Rede nennen. Kerry sagte, die in New York versammelten UNO-Länder hätten es in der Hand, für Syrien eine Lösung zu finden, aber offensichtlich wollten das viele nicht. Kerry überraschte mit der Forderung eines Flugverbots für die russische und syrische Luftwaffe an jenen Orten in Syrien, wo humanitäre Hilfe geleistet werden muss. Der russische Aussenminister Sergej Lawrow bezichtigte die syrische Opposition mit scharfen Worten, sich überhaupt nicht an die Waffenruhe zu halten, während das syrische Regime diese respektiere.
Weiss man schon, wer für die Angriffe auf einen Hilfskonvoi in Syrien verantwortlich ist?
Richtig klar ist das nach wie vor nicht. Es gibt zwar Indizien, aber keine Beweise. Die UNO hat ihre Verlautbarung, es habe sich um einen Luftangriff gehandelt, inzwischen wieder zurückgenommen. Dabei wären nur die syrische oder die russische Luftwaffe als Urheber in Frage gekommen. Inzwischen fordert UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon eine unabhängige Untersuchung. Russland streitet ab, dass russische Flugzeuge hinter dieser Attacke steckten. Inzwischen fordert Lawrow ebenfalls eine seriöse Analyse. Die Amerikaner sagen, ihrer Luftraumüberwachung zufolge seien es russische Flugzeuge gewesen. Angriffe auf Hilfsgüterlieferungen sind das Schlimmste, was passieren kann und genau das, was das Vertrauen in eine Waffenruhe zerstört.
Für einen baldigen Frieden in Syrien bedeuten die gegenseitigen Schuldzuweisungen also nichts Gutes.
Sie bedeuten überhaupt nichts Gutes. Im Sicherheitsrat und auch in der UNO allgemein herrscht die Meinung vor, es gebe keinen anderen Weg als das amerikanisch-russische Abkommen, das in Genf beschlossen worden ist. Der UNO-Friedensvermittler für Syrien, Staffan de Mistura, ging in der Debatte des Sicherheitsrats sogar so weit, in den nächsten Tagen wieder Friedensgespräche in Genf zu fordern, und zwar erstmals direkte Gespräche. Er sprach sogar von Wiederaufbauplänen für Syrien, räumte am Schluss aber ein, es klinge alles ein bisschen wie ein Traum. Tatsächlich hat man heute im Sicherheitsrat gelegentlich den Eindruck, man bewege sich in einem Paralleluniversum: Hier die Debatte in New York, dort die Fortdauer der Gewalttaten in Syrien. Der Glaube an eine Friedenslösung passt nicht wirklich zur Realität vor Ort.
Das Gespräch führte Matthias Kündig.