Die militärische Laufbahn von Martin Dempsey ist über 41 Jahre lang. Zuletzt – bis vor einem Jahr – war er als Generalstabschef der höchstrangige Offizier der US-Armee.
Doch nie zuvor in seiner Karriere sei die Welt derart gefährlich gewesen wie gerade jetzt, sagte er kürzlich in mehreren Interviews.
Selbst im Kalten Krieg sei die Lage übersichtlicher, ja stabiler gewesen. Es gab einen grossen Konflikt, jenen zwischen dem Westen und der Sowjetunion.
Bedrohung von allen Seiten, auch im Netz
Später, nach dem Fall der Berliner Mauer, war die Sache wiederum klar: Hauptfeind war nun der islamische Terrorismus. Sein Nachfolger, Joseph Dumford, habe es ungleich schwerer. Er müsse gleichzeitig einer Vielzahl grosser Herausforderungen begegnen, sagt Dempsey. Er prägte dafür die Formel 2, 2, 2, 1. Er meint damit:
- Die Herausforderung durch die beiden Grossmächte Russland und China (2)
- Die Gefahr durch die beiden Staaten Iran und Nordkorea (2)
- Die Bedrohung durch islamistische Terrorgruppen und organisierte Kriminalität (2)
- Das Risiko von Cyberkriegen (1)
Der Westen ist also von allen Seiten bedroht. Regionale Konflikte sind da noch nicht einmal mitgerechnet. Dempsey ist weder ein notorischer Schwarzmaler, noch ein einsamer Kassandra-Rufer. Sir John Sawers etwa, langjähriger UNO-Botschafter Grossbritanniens und danach Chef des Auslandgeheimdienstes, pflichtet ihm bei.
Hauptauslöser seien Russland und China, die militärisch weitaus potenter seien als noch vor ein, zwei Jahrzehnten. Diese Staaten wollten dies nutzen, um die Kräfteverhältnisse in der Welt zu verändern, so Sawers.
Anders als im Kalten Krieg fehle heute ein strategischer Rahmen, eine allseits einigermassen akzeptierte Welt- und Hackordnung, erklärt er gegenüber der BBC.
Nichtwestliche Regierungen halten die Welt seit langem für gefährlicher. Sergej Lawrow, der langjährige russische Aussenminister, beharrt gegenüber dem US-Newssender CNN lediglich darauf, sein Land sei nicht schuld daran. Schuld sei der Westen, weil er nicht bereit sei, seine Vormachtstellung aufzugeben.
Von neuer Weltordnung ausgeschlossen
Sicher ist: Chinas Bedürfnis nach mehr Macht und einer grösseren Einflusssphäre ist ebenso destabilisierend wie Russland Sehnsucht nach alter, sowjetischer Grösse und die iranische Absicht, zur dominierenden Macht in Nahost aufzusteigen. Damit treiben diese Regimes zunächst ihre unmittelbaren Nachbarländer in die Enge. Und sie rufen in einer zweiten Phase die Supermacht USA auf den Plan.
Tatsache ist aber auch: Die USA und der Westen insgesamt haben es nach dem Ende des Kalten Krieges versäumt, Russland in eine neue Weltordnung einzubinden. Und sie schaffen es heute nicht, China oder den Iran so zu integrieren, dass diese einen für sie akzeptablen Platz in der Welt finden.
Das ist natürlich nicht bloss westliches Versagen. Es bräuchte in Moskau, Peking oder Teheran auch Partner, die Hand böten für eine stabile globale Ordnung.