SRF: In den Sindschar-Bergen im Norden des Irak haben kurdische Kämpfer einen Belagerungsring der Islamisten durchbrochen. Wie wichtig ist dieser Erfolg?
Inga Rogg: Er ist für die Peschmerga selber enorm wichtig, für ihre Moral und ihr Ansehen unter den Jesiden. Aber auch militärisch ist er von grosser Bedeutung, da es darum geht, dem IS Gebiete abzutrotzen und dessen Operationsgebiet einzuschränken.
Wie haben die Kurden diesen Erfolg gegen die Islamisten zustande gebracht?
Er war von langer Hand vorbereitet. In den Sindschar-Bergen, aus denen im letzten Sommer zehntausende Jesiden geflohen waren, weil sie von Peschmerga-Kämpfern schutzlos zurückgelassen worden waren, haben andere kurdische Kämpfer die ganze Zeit über ausgeharrt. Dann haben die Peschmerga und die irakischen Kurden zusammen mit den Amerikanern eine Offensive gestartet. Über Monate hinweg haben sie die Extremisten zurückgedrängt. In den letzten Tagen haben die Amerikaner nochmals die Zahl der Luftangriffe erhöht und über 50 Angriffe geflogen. Sie sollen dabei auch wichtige Kämpfer des IS ausgeschaltet haben.
Im Sindschar-Gebirge sitzen schätzungsweise etwa 1200 Jesiden-Familien fest. Weiss man schon etwas über deren Schicksal?
Wie viele Jesiden dort ausgeharrt haben, weiss man nicht genau. Und man weiss auch nicht, was im Moment passiert. Die Peschmerga und die kurdischen Politiker haben erklärt, dass die Evakuierung noch nicht begonnen habe. Das Ziel ist offenbar, die Jesiden aus diesem Gebiet in die kurdische Region zu evakuieren.
Gute Nachrichten also für die IS-Gegner im Norden des Irak. Um Bagdad herum sieht es anders aus. Dort rückt der IS weiter vor. Wer hat die Überhand?
Es geht hin und her. Die irakischen Truppen und die mit ihnen verbündeten schiitischen Milizen haben auch um Bagdad herum in den letzten Wochen Gelände dazugewonnen, aber in jüngster Zeit auch wieder verloren: Vor allem im Westen von Bagdad, aber auch im Norden der Hauptstadt, in der Nähe einer grossen Ölraffinerie. Tikrit, die einstige Heimatstadt von Saddam Hussein, haben sie wieder verloren. Und auch um die Kontrolle über kleinere Städte wird schwer gekämpft.
Sind die Erfolge von der ausländischen Unterstützung – also von den USA oder dem Iran – abhängig?
Die Stärke der irakischen Truppen und der kurdischen Milizen hängt natürlich auch von der ausländischen Unterstützung ab. Sie brauchen die amerikanische Unterstützung, wie man jetzt im Norden bei den Kurden sehen kann. Bei der dortigen Offensive ging man sehr systematisch vor.
Es ist aber auch so, dass die irakische Armee in einem desolaten Zustand ist. Das hat man gesehen, als sie sich im Frühsommer aus dem Nordirak zurückgezogen hatte. Es brauche Jahre, wieder eine schlagkräftige Truppe aufzubauen. Das sagen auch die Amerikaner.
Das Gespräch führte Samuel Burri.