Heute wurde die sogenannte Donaubrücke 2 eingeweiht. Brüssel setzt grosse Hoffnung in das Projekt. Die Eröffnung des Bauwerks wird als Durchbruch für Verkehr und Handel zwischen den Balkanländern und dem Rest der EU bezeichnet. Eine doppelspurige Autobahn und eine Eisenbahnspur führen über die Brücke. Man kann sie auch zu Fuss oder mit dem Velo überqueren. Die Überfahrten mit Fähren fallen weg, die Fahrzeiten werden kürzer.
Doch zunächst werde sich mit der Brücke wenig ändern. Das meint Marc Lehman, SRF-Korrespondent in Osteuropa. Denn die Brücke wurde in einer strukturschwachen Region gebaut. «Ein reger Austausch über die Donau wird nicht von heute auf morgen stattfinden.»
Selbst Brüssel erwartet zumindest in der Anfangsphase keinen Ansturm auf die Brücke: 1500 bis 2000 Fahrzeuge pro Tag, so lautet die Prognose.
Keine Autobahnanschlüsse
300 Millionen Euro hat die Brücke gekostet. Die EU hat einen Drittel der Mittel beigesteuert. Das Bauwerk ist Teil des «paneuropäischen Korridors» zwischen Thessaloniki und Berlin/Dresden.
Das sei aber noch Zukunftsmusik, urteilt Marc Lehmann. Denn: Es fehlten die Autobahnanschlüsse an die Brücke. Auf rumänischer wie auf bulgarischer Seite müsse man sich über holprige Landstrassen quälen, um zur Brücke zu gelangen. «Wer möglichst schnell von Mitteleuropa nach Griechenland oder in die Türkei kommen will, fährt via Serbien, wo es eine Autobahn gibt, und lässt Rumänien links liegen. Viel hängt also vom Ausbau der Zufahrtswege ab.»
Die schwierige Zufahrt könnte auch die Hoffnungen von Ortspolitikern zunichte machen. Diese möchten, dass Touristen künftig durch Rumänien fahren, bevor sie in Griechenland Ferien machen.
Doch einen Vorteil bietet die Brücke in den Augen von Lehmann jetzt schon: «Der Grenzübertritt zwischen den EU-Ländern Rumänien und Bulgarien ist erheblich unkomplizierter als die Abfertigung an den Zollstationen in Serbien und Mazedonien.» Sobald die beiden EU-Länder dereinst auch dem Schengen-Raum beitreten, werde es noch einfacher.
Beziehungen verbessern
Die neue Autobrücke über die Donau soll die beiden fremden Nachbarn näherbringen. Rumänien und Bulgarien tun sich traditionell schwer miteinander.
«Unterschiedliche historische Erfahrungen und Mentalitäten trennen die Völker. Rumänen sprechen eine romanische Sprache, Bulgaren eine slawische. Rumänen schreiben lateinisch, Bulgaren kyrillisch. Rumänen essen Apfelstrudel, Bulgaren Baklava. Die gewöhnlichen Leute haben nicht viel miteinander zu tun.»
Auf politisch-wirtschaftlicher Ebene würden sich die beiden Länder als Konkurrenten betrachten, sagt Lehmann. Doch allmählich spürten sie, dass sie ähnliche Probleme hätten. Und dass mit einer engeren Zusammenarbeit gegenüber Brüssel mehr herausgeholt werden könne.
Jobs und Investitionen
Vor Ort herrscht Optimismus. Der Verband der rumänischen Transporteure betrachtet die Brücke als Gewinn für alle. Auch in Bulgarien ist man hoffnungsvoll: «Das Bauwerk wird ein Motor zur Entwicklung der Donauregion im Länderdreieck Bulgarien, Rumänien und Serbien sein», sagt der Bürgermeister von Widin.
Die Region um Vidin und Calafat sei derart unterentwickelt, dass es fast nur aufwärts gehen könne, schätzt Marc Lehmann. «Vermutlich wird die Brücke einen gewissen Schub bringen. Falls bald die Anschlussstrassen gebaut werden, dürften zahlreiche neue Jobs entstehen.»