In den arabischen Nachrichtenkanälen verrät schon die Wortwahl, wer wen unterstützt. Auf einem saudiarabischen Sender preist eine Moderatorin die sunnitischen Rebellen im Süden als syrische Revolutionäre, obwohl eine der stärksten Kräfte unter diesen Revolutionären eine Al-Kaida-Miliz ist.
Die Moderatorin zeigt auf der Karte das voraussichtlich nächste Ziel des Vormarsches. Es ist Suweida, die Hauptstadt des Drusengebirges. Ein Rebellensprecher aus dem jordanischen Amman ist ihr zugeschaltet. Dort, im Nachbarland, geniesst der gemässigtere Teil der südlichen Rebellenfront Gastrecht. Beide sind sich einig, die Rebellen hätten den militärischen Vorteil auf ihrer Seite.
Religion entfernt mit Schiitentum verwandt
Entgegen der Prognosen des saudischen Kanals konnten die syrischen Regimetruppen einen Militärflugplatz ausserhalb Suweidas offenbar halten. In der Hauptstadt des Drusengebirges selbst schlugen Granaten ein, wie Bewohner der Gegend berichteten. Unklar ist, wer sie abfeuerte.
Die Drusen leben vorwiegend in Syrien, Libanon und Israel. Als religiöse Minderheit haben sie sich in ihrer Geschichte häufig mit der herrschenden Macht arrangiert. Unter Baschar al-Assad war das nicht anders. Der Staatschef gehört ebenfalls einer Minderheit an – der alawitischen. Sie ist wie die drusische eine weit entfernte Verwandte des Schiitentums.
Dennoch: Das Verhältnis der Drusen zu Assad hat sich in vier Kriegsjahren deutlich abgekühlt. Manche der drusischen Scheichs forderten ihre Anhänger auf, den Militärdienst in Assads Armee zu verweigern. Drusenführer Walid Jumblatt aus dem benachbarten Libanon riet seinen Glaubensbrüdern in Syrien gar, sie sollten sich von Assad ganz lossagen und mit den Rebellen arrangieren.
Zwischen Pest und Cholera
Doch wie sollen sich Drusen arrangieren mit einer sunnitischen Rebellenfront, die gemeinsame Sache macht mit Al-Kaida, die Minderheiten wie die Drusen nicht akzeptiert? Und dies während auf der andern, der östlichen Flanke des Drusengebirges, die noch fanatischere Dschihadmiliz IS lauert.
Dorfbewohner berichten, sie könnten von der Anhöhe beobachten, wie sich IS-Einheiten in den benachbarten Beduinendörfern in der Ebene ungeniert bewegten. Entsprechend gross ist ihre Angst. Die Drusen in Syrien seien in ihrer Existenz bedroht, sagen sie. Selbst Reuven Rivlin, der israelische Staatspräsident, schlug Alarm. Israelische Drusen hatten ihn auf die dramatische Lage ihrer syrischen Glaubensbrüder aufmerksam gemacht.
Aus Israel kommt keine militärische Hilfe
Allerdings werde die israelische Armee deswegen nicht in Syrien einmarschieren, meldeten israelische Medien. Ein drusischer Würdenträger aus Suweida rief die Drusen bereits zu den Waffen. Jeder Angreifer werde auf erbitterten Widerstand stossen, warnte er. Allein mit ihren leichten Waffen aber hätten die Drusen kaum Chancen gegen die hochgerüsteten Dschihadisten.
Die Hoffnung lastet deshalb trotz allem auf der syrischen Armee. Doch wird sie bleiben? Seit dem Fall der Wüstenstadt Palmyra befürchten viele in Suweida, dass sich Assads Truppen auch aus dem Drusengebirge zurückziehen könnten, um sich auf die Verteidigung der Hauptstadt Damaskus zu konzentrieren.
Als vor ein paar Tagen in Suweida Truppen bewegt wurden, führte das prompt zu dramatischen Reaktionen. Eine Menschenmenge stellte sich den Panzern in den Weg – aus Angst, die syrischen Truppen hätten den Rückzugsbefehl tatsächlich schon erhalten und überliessen die Drusen ihrem Schicksal.