Bei den Demonstrationen zum Jahrestag des Beginns der landesweiten Gezi-Proteste sind in der Türkei etwa 120 Menschen festgenommen worden. Das sagte Istanbuls Polizeichef Selami Altinok nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu. Der Polizeichef erklärte, dass vier Polizisten verletzt worden seien. Aktuell ist in Istanbul wieder Normalität eingekehrt.
Zahlreiche Verletzte
Nach Angaben türkischer Menschenrechtler wurden bei den Zusammenstössen 13 Menschen verletzt. Die türkische Polizei war mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Regierungsgegner vorgegangen. Die Sicherheitskräfte hatten hunderte Menschen auseinandergetrieben, die zum Jahrestag der Massenproteste gegen Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan zum zentralen Taksim-Platz kommen wollten.
Erdogan sagte in einer Fernsehansprache, mit dem Sieg seiner Partei bei den Kommunalwahlen Ende Mai sei auch die Ermächtigung einhergegangen, gegen die Demonstranten vorzugehen. Verräter aus dem In- und Ausland hätten sich junge Menschen bei den Gezi-Vorfällen zunutze gemacht.
25'000 Sicherheitskräfte im Einsatz
In Istanbul hatte die Polizei am Samstag bereits im Vorfeld Teile des Stadtzentrums abgeriegelt. Damit sollten Kundgebungen verhindert werden, die Regierungsgegner angekündigt hatten. Erdogan erklärte, die Sicherheitskräfte würden alles tun, um Demonstranten fernzuhalten. Hunderte Beamte patrouillierten in zivil mit Schlagstöcken.
Zeitungsberichten zufolge wurden 25'000 Polizisten in der Gegend um den Taksim-Platz zusammengezogen. Der Fährverkehr zwischen den beiden Ufern des Bosporus war auf Anordnung der Behörden eingestellt worden. Die Polizei ging dem Sender CNN Türk zufolge auch gegen Demonstranten in Ankara und in der südlich gelegenen Stadt Adana vor.
Am Sonntagmorgen waren der symbolträchtige Taksim-Platz und der angrenzende Gezi-Park in Istanbul wieder frei zugänglich. Auch die U-Bahn-Station dort war geöffnet. Der Fährverkehr über den Bosporus lief normal.
Die Proteste begannen vor einem Jahr
Am 31. Mai 2013 war die türkische Polizei gewaltsam gegen Umweltschützer vorgegangen, die mit einem mehrtägigen Sitzstreik die Bebauung der Grünfläche Gezi-Park im Stadtzentrum verhindern wollten. Verärgert über das Vorgehen der Beamten strömten danach Zehntausende Bürger in den Gezi-Park und besetzten den nahe gelegenen Taksim-Platz für etwa zwei Wochen, bis die Behörden die Räumung anordneten.
Die Demonstranten warfen dem seit rund einem Jahrzehnt regierenden Erdogan autoritäre Amtsführung vor. Sechs Menschen kamen bei den Unruhen vor einem Jahr ums Leben, darunter ein Polizist.