Seit dem Arabischen Frühling toben im Nahen Osten Bürgerkriege und Volksaufstände. In Saudi-Arabien hingegen ist es mit wenigen Ausnahmen ruhig geblieben. Trotzdem übt das Königreich Einfluss in seinen Nachbarländern und versucht seine Macht zu vergrössern. Zuletzt sorgte eine Truppenverschiebung für Aufsehen. König Abdullah hat 30'000 Soldaten an die 800 Kilometer lange irakische Grenze geschickt.
Was sind die saudischen Interessen?
Ein Hauptinteresse Saudi-Arabiens liegt darin, den Einfluss des schiitischen Irans einzudämmen und sunnitische Kräfte in der Region zu stärken. Es sähe gerne sunnitische Regimes an der Macht, die von der Mehrheit der jeweiligen Bevölkerungen getragen werden.
Deshalb leistet das Königreich auch der ägyptischen Militärregierung von al-Sisi milliardenschwere finanzielle Unterstützung und bekämpft damit die Muslimbruderschaft. Denn radikale sunnitische Gruppierungen, zu denen auch die Al Kaida oder der Isis gehört, sind nicht erwünscht. Sie könnten dem saudischen Königshaus gefährlich werden.
Kein Einmarsch in den Irak
Das Königreich bekennt sich dabei auch zur Bewaffnung gemässigter Oppositionsgruppen in Syrien. Gemäss Nahost-Experte Erich Gysling bewegt sich Saudi-Arabien hier auf einer Gratwanderung. «Gemässigte Gruppierungen gibt es eigentlich gar nicht mehr in den Konfliktgebieten.»
Ein Einmarsch in den Irak ist indes kein Thema. Das schiitisch regierte Land sei ein zu grosses Feld, sagt Gysling. Es gebe auch keine gemässigte Gruppe, die offiziell unterstützt würde. «Saudi-Arabien wird sich darauf konzentrieren seine Landesgrenze zu sichern.»
Religion nur vorgeschoben
Der Staat will also seine Ideologie «kreuz und quer in der Region zu verbreiten und damit seinen Machtanspruch zu festigen», so Gysling. Das Land versuche Sicherheit und Stabilität in der Region zu schaffen. Für den Nahost-Experten ist jedoch klar, dass das sunnitisch religiöse Argument lediglich vorgeschoben sei. «Eigentlich geht es um wirtschaftliche Interessen. Denn die Saudis befürchten einen Bedeutungsverlust in der Region.»
Noch schwimmt der Erdölstaat im Geld. Doch härtere Zeiten kündigen sich an. Laut Gysling verschlechtern sich die Alltagsbedingungen der Bevölkerung bereits. Dies zeige sich zum Beispiel darin, dass sich die saudische Gesellschaft fragt, ob Frauen Autofahren dürfen. «Früher war das kein Thema, weil sich die Leute einen Chauffeur leisten konnten.» Banale Probleme bekommen so politisch grosses Gewicht, sagt der Experte.
Absteigendes Erdölgeschäft
Grund dafür ist der immer schlechter laufende Handel mit Erdöl. Von ihm ist das Land in hohem Mass abhängig – macht er doch 55 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Saudi-Arabien hat zwar noch die grössten Erdölreserven der Welt, doch kann es davon gerade einmal 25 Prozent fördern.
Hinzu kommt, dass der Weltmarkt zunehmend nach Erdgas verlangt, der vor allem in Katar oder im verfeindeten Iran abgebaut wird. Daneben können Länder wie die USA durch das Aufkommen der Fracking-Technologie in Zukunft selbst Erdöl und Erdgas fördern.
Amerikanisches Desinteresse
Durch diese Entwicklungen sind auch die Beziehungen zum westlichen Verbündeten USA zunehmend von Desinteresse geprägt. Die Amerikaner werden in Zukunft weniger abhängig sein vom saudischen Öl. Zudem mache sich laut Gysling im Königreich Frustration breit, weil die USA wieder im Dialog mit dem Iran stehen.
Der alte Deal, dass Saudi-Arabien die USA mit preisgünstigem Erdöl versorgt und diese dafür als Schutzmacht und Rüstungslieferant auftritt, werde langsam aufgeweicht. Für Gysling ist dabei klar, dass das Königreich neue Verbündete braucht.