SRF News: Eine Frist nach der anderen läuft ab. Woran liegt das?
Fredy Gsteiger: Alle Delegationen sagen klar, es gebe nur noch geringfügige Differenzen. Offenkundig sind die aber nur sehr schwer zu überwinden. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die beiden Hauptverhandlungspartner – die Amerikaner und die Iraner – sehr stark darauf achten müssen, wie sie einen Kompromiss später zuhause verkaufen können. Sowohl im Iran als auch in den USA gibt es Hardliner, die gegen einen Kompromiss sind. Deshalb darf keine Seite wirklich grosse Zugeständnisse machen.
Fast stündlich hofft man aber noch immer auf den grossen Durchbruch. Ist der überhaupt noch möglich?
Ja, denn sonst würde man die Deadline nicht immer weiter hinausschieben. Es wissen alle Seiten, dass eigentlich nicht viel fehlt. Die Hoffnung auf einen Durchbruch ist noch da. Dennoch: Verglichen mit der Situation und den Einschätzungen von vor einer Woche, ist die Zuversicht sicherlich nicht grösser geworden.
Wäre man auch mit einem Teilerfolg zufrieden?
Wirklich zufrieden wohl kaum. Aber es ist in der Tat die Rede davon, dass man sich in Lausanne erstmal nur auf ein sehr vages Rahmenabkommen einigen könnte. Das heisst aber, dass viele konkrete Detailfragen – sowohl politische als auch technische – ungeklärt bleiben würden. Es müsste also weiterverhandelt werden und der ganze Prozess könnte in den nächsten Monaten immer noch entgleisen. In diesem Fall müsste man in Lausanne wohl eher von einem gesichtswahrenden Kompromiss als von einem Durchbruch sprechen.
Nehmen wir mal an, die Verhandlungen scheitern. Was wären die Folgen?
Iran würde unverdrossen mit seinem Atomprogramm weiterfahren und käme immer näher an die Atombombe heran. Die iranische Bevölkerung würde weiter unter den Folgen der Sanktionen leiden. Ausserdem würde der Konflikt im Nahen Osten, der sehr stark auch ein Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien und den übrigen Golfstaaten ist, weitergehen. Es bestände das Risiko, dass Saudi-Arabien oder auch Ägypten ebenfalls ein Atombombenprogramm beginnen würden.
Für wen wäre der Scherbenhaufen am grössten?
Für US-Präsident Barack Obama wäre ein Scheitern der Verhandlungen sicher eine Ohrfeige. Er hat viel politisches Prestige in diese Verhandlungen investiert. Eine Lösung im Atomstreit soll sein ganz grosser Erfolg in seiner zweiten Amtszeit werden. Aber auch für den iranischen Präsidenten Hassan Rohani wäre es problematisch, wenn er seinem Volk wegen der in Kraft bleibenden Sanktionen keine wirtschaftliche Besserung bieten könnte. Die iranischen Hardliner bekämen Aufwind. Selbst für die anderen Beteiligten, die Europäer und die Chinesen, hätte es negative Konsequenzen: Der Ölpreis würde vermutlich wieder ansteigen, da die Option, dass der grosse Ölanbieter Iran wieder auf den Markt tritt, nicht mehr bestände.