«Aus meiner Sicht ist der Bericht eine komplette Fehlleistung.» Dies sagt Jens Olesen, bis vor kurzem Chef-Berichterstatter der dänischen Immigrationsbehörde und Leiter der jüngsten Fact-Finding-Misson nach Eritrea. Der Bericht seiner Behörde wird europaweit als Beleg dafür herangezogen, dass Eritrea ein sicheres Land sei. Eritreer könnten ins Land zurückehren und seien nicht verfolgt.
Der «Rundschau» hat Olesen in Kopenhagen die wahre Geschichte hinter dem Bericht erzählt. Er kritisiert das Dokument seiner eigenen Behörde massiv. «Es ist eine Beleidigung unserer professionellen Standards, die wir über lange Jahre aufgebaut haben.» Die Zitate im Bericht seien aus dem Kontext gerissen und politisch unliebsame Quellen wie die UNO-Berichterstatterin habe man schlicht ignoriert.
Unsere Arbeit wurde politisch missbraucht, um die Asyl-Politik gegenüber Eritreern zu verschärfen.
Seit 20 Jahren führte Olesen für die Behörden Fact-Finding-Missionen und Länder-Berichterstattungen durch. Der 63-Jährige gilt europaweit als Koryphäe und Pionier auf dem Gebiet. Was auf seiner letzten Reise nach Eritrea – und danach – geschah, habe er in seiner ganzen Karriere noch nie erlebt. «Ich kann nicht hinter diesem Bericht und der Mission nach Eritrea stehen. Unsere Arbeit wurde politisch missbraucht, um die Asyl-Politik gegenüber Eritreern zu verschärfen.»
Mehr Lohn für genehmen Bericht
Im Sommer 2014 schickte die dänische Immigrationsbehörde Olesen und einen Kollegen nach Eritrea, um die Lage im Land zu untersuchen. Dies, weil mehr und mehr Eritreer nach Dänemark kamen und Asyl beantragten. Olesen sollte sich vor Ort ein Bild machen und für die Behörde einen Bericht verfassen. Wie immer machte sich Olesen an die Arbeit und wollte einen Bericht abliefern, der breit abgestützt, unabhängig und objektiv ist.
Doch bereits bei den Befragungen in Eritrea habe der Chef Druck ausgeübt. Dass der Vorgesetzte überhaupt mitreiste, sei sehr aussergewöhnlich. Von den befragten Quellen im Land habe dieser dann nur hören wollen, dass es für Asylsuchende sicher sei, nach Eritrea zurückzukehren. «Er war so davon besessen, dass er uns sogar eine Lohnerhöhung versprach, falls die Gerichte in Dänemark die neue Asylpolitik stützen würden», sagt Olesen. Der Berichterstatter wollte lang genug in Eritrea bleiben, um Menschen zu befragen, die echtes Insider-Wissen über das Land haben. Doch er wurde schon vorher zurückbeordert.
Der Bericht sollte dann auch klar zum Schluss kommen, dass eine Rückkehr nach Eritrea möglich sei. Olesen weigerte sich, die politischen Vorgaben umzusetzen. Seinen Job ist er los. Auch sein Kollege, der die Vorwürfe Olesen stützt, musste das Büro räumen. Den Bericht schrieben dann Kollegen, die erst gar nicht vor Ort waren. Die Verantwortlichen weisen die Vorwürfe Olesens zurück.
Experte fordert korrekte Fact-Finding-Mission
Grossbritannien hat im Frühling aufgrund des Dänen-Berichts seine Asyl-Politik verschärft. Auch dort nahmen Asylgesuche aus Eritrea zu. Wer illegal das Land verlässt oder vor dem Militärdienst flieht, erhält nun keinen Schutz mehr. Eine der wichtigsten Quellen: Der umstrittene dänische Bericht.
Tom Southerden, Asyl-Experte von Amnesty International in London, sagt zur «Rundschau»: «Experten der Migrationsbehörde rieten intern davon ab, den fehlerhaften dänischen Bericht zu verwenden. Aber die Behörde hat sich über ihre eigenen Experten hinweggesetzt.»
Interessanterweise schliesst aber auch Olesen nicht aus, dass eine Rückkehr möglich wäre. Dazu brauche es aber gesicherte Informationen aus dem Land. Mit einer korrekt durchgeführten Fact-Finding-Mission können Berichterstatter wie er dies durchaus klären. «Es ist durchaus möglich, dass gewisse Gruppen bei einer Rückführung nicht zwingend in Gefahr wären. Aber das sind sehr indiviuelle Fälle. Man muss immer den Einzelfall sehr genau anschauen, um so etwas entscheiden zu können.»