SRF News: Am Mount Kenya konnte das Problem der Dürre mit einem einfachen Bewässerungssystem gelöst werden. Wäre das auch Lösung für andere Regionen in Kenia?
Patrik Wülser: In Kenia finden wir verschiedene Landschaften. Der Mount Kenya ist ein spezielles Modell: ein Berg und ein Wasserreservoir. Ähnliche Verhältnisse finden wir beim Kilimandscharo, auf der Seite von Kenia. In Tansania ist es saftig und grün. Kenia selbst besteht zu 80 Prozent aus Halbwüsten. In den Wüsten hat es Bohrlöcher, wo man zwar Wasser findet. Das dient allerdings nur dem Grundbedarf der Bevölkerung.
Afrika ist aber keine homogene Landschaft aus Wüsten und Dürren. Es existieren in diesem Kontinent auch sehr saftige, hügelige Regionen. Solche finden wir im Ostkongo, in Ruanda und Burundi. Wir finden dort eine grüne und saftige Hügellandschaft, ähnlich wie bei uns im Emmental. Dort wird auch bewässert. Solche Bewässerungssysteme benötigen allerdings viel Geld, welches selten vorhanden ist.
Bewässerung ist nur ein Thema. Es braucht aber auch Strassen um die Ernte in die Städte zu transportieren. Wird auch andernorts genügend in Verkehrswege investiert?
Nein, es fehlt in Afrika oft an Verkehrswegen. Ein Beispiel ist der Kongo. Dieses Land ist so gross wie Europa. In diesem grossen Land kommt man auf 3000 Kilometer asphaltierte Strassen. Das ist viel zu wenig. Das gleiche gilt für Kenia. In Afrika ist der Strassenbau allerdings aufwändig. Die Böden setzen sich unterschiedlich zusammen. Rund um den Mount Kenya beinhaltet der Boden Asche. Es gibt heftige Regenfälle, die Böden werden abgeschwemmt. Grosse Wassermengen kommen vom Himmel runter.
Strassenbau ist immer mit Drainage verbunden. Das heisst: Es braucht unterirdische Wasserkanäle, die die Wassermengen abführen können, damit die Strassen nicht regelmässig abgeschwemmt werden. Strassen werden häufig auch in Halbwüsten gebaut, weit von den grossen Städten entfernt. Mitten im Nirgendwo. Und das ist auch wieder mit hohen Investitionen verbunden und muss häufig vom Ausland unterstützt werden. Da gibt es noch viel Nachholbedarf.
Ihr Beitrag zeigt, dass dank einzelnen fruchtbaren Regionen die Nahrungsversorgung im ganzen Land nachhaltig verbessert werden könnte. Warum sterben trotzdem jedes Jahr Menschen an den Folgen der Dürre?
Es ist ja nicht so, dass es keine Nahrungsmittel gibt in Afrika. Im Hochplateau von Kenia wird zum Beispiel viel geerntet. Die Nahrungsmittel können aber nicht ideal verteilt werden. Das eine Problem sind die fehlenden Strassen und die mangelhafte Verteilung der Lebensmittel. Dürren kommen allerdings nicht aus heiterem Himmel. Sie gehören in Afrika dazu wie die Jahreszeiten.
Man könnte Vorräte anlegen, Lagerhäuser auffüllen und einen Notfallplan ausarbeiten, wie man die Bevölkerung ernährt. Man könnte rechtzeitig Bohrlöcher anlegen, Dämme bauen. Aber all das wird leider selten gemacht. Das ist ein Versagen der Politik. In diesen Dürrezonen leben kleine Bevölkerungsgruppen, Nomaden, die den Politikern nicht wichtig genug sind. Im schlimmsten Fall «verschwindet» das bereits gelegte Geld für Notfallmassnahmen. Vor zwei Jahren sorgte die kenianische Wasserministerin für einen Skandal. Millionen von Dollar, die für Arbeiten an Bohrlöchern geplant waren, verteilte die Ministerin unter ihren Verwandten.
Nun gibt es noch einen anderen Punkt. Die Bevölkerung in Kenia ernährt sich zu einem grossen Teil aus Mais. Ein Getreide, das sehr anfällig ist auf Wassermangel. Wäre es lohnenswert die Bauern auf andere Nahrungsarten umzustimmen?
Mais ist in Kenia eine Importpflanze und wird als Brei gegessen. Auf Suaheli heisst die Speise Ugali. Der Brei wird traditionell mit einer Spinatsorte gegessen. Eine solche Tradition zu ändern, braucht Zeit.
Was in Ostafrika auch sehr häufig gegessen wird, ist Hirse. Beispiele sind Äthiopien und Südsudan. In der Viehwirtschaft zeigt allerdings ein Beispiel, dass auch verankerte Traditionen gelockert werden können. Es zeigte sich, dass die Kühe in Nordkenia nicht resistent sind in der Trockenzeit. Kamele sind aber robuster. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) unterstützte – gegen grossen Widerstand – deswegen die Umstellung auf Kamele. Heute sind in Nordkenia Kamelhirte angesehener als Kuhhirten.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.