Zu viel hat Coiffeur Mohammed Saeed Mosawi schon gesehen. Er kann sich nicht vorbehaltlos über die US-Luftschläge in unmittelbarer Nähe von Bagdad freuen. Auch wenn diese gegen die Terrororganisation «Islamischer Staat» gerichtet sind.
Im Gespräch mit SRF-Korrespondent Pascal Weber sagt Mosawi: «Die Amerikaner sollen bombardieren, aber bitte ohne die Zivilbevölkerung zu treffen. In diesen Gebieten leben Menschen, selbst wenn es dort auch Terroristen hat. Werft eure Bomben ab – aber weit weg von der Bevölkerung.»
Ähnlich sieht es Mosawis Kunde. Ayman Amer sagt: «Ich habe wirklich Angst um unsere Leute. Ich fürchte, die Luftschläge werden auch Unschuldige treffen – deshalb bin ich dagegen.»
«Das macht den Alltag schwer in Bagdad»
Dafür oder dagegen – Fakt ist: Bagdad ist eine Stadt im Belagerungszustand. Überall Checkpoints, überall schwere Waffen und überall die Angst vor Anschlägen. «So wie hier habe ich das noch nirgends gesehen, nicht einmal in Damaskus», beschreibt Weber die Situation in der Stadt. Dies habe aber nichts mit den Luftschlägen der Amerikaner zu tun – dies sei quasi Alltag und seit Jahren so.
Zurzeit dreht er Reportagen für die «Tagesschau». Die dauernden Kontrollen, die vielen schwer bewaffneten Sicherheitskräfte, die stetige Unsicherheit – es liegt eine bleierne Schwere über der Stadt. «Das macht den Alltag in Bagdad harzig.»
Das Leben in Bagdad ist zermürbend.
Auf den Alltag selber hätten die US-Luftschläge keine direkten Auswirkungen. «Sie sind in der Stadt nicht spürbar», meint Weber. Allerdings sei die die gesamte Situation in Bagdad angespannt.
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«Das frisst sich in die Menschen hinein – hat langfristige Auswirkungen», stellt Weber fest. Ein Student habe ihm gesagt: Es gebe keinen Ort, an dem man sich sicher fühlen und einfach einmal zurücklehnen könne. «Das Leben in Bagdad ist zermürbend», sagt Weber.
IS-Kämpfer mischen sich unter die Bevölkerung
Nach Gesprächen mit Stadtbewohnern ist für Weber klar: Die meisten Menschen unterstützten die US-Luftangriffe – solange die Zivilbevölkerung nicht getroffen werde. Dies sei aber genau das Problem, und dessen seien sich auch die IS-Kämpfer bewusst. «Die Gefahr, dass bei Luftangriffen auch Unschuldige getroffen werden, ist gross.»
Deshalb versuche sich die Terror-Miliz immer stärker unter die Bevölkerung zu mischen. «Die IS-Kämpfer wissen genau, dass die Stimmung in der Bevölkerung sofort kippt, sobald Unschuldige ums Leben kommen», erklärt Weber.
Wenn Fremde eingreifen, haben wir danach erneut einen Schlamassel.
Doch wie steht die irakische Regierung zu den Luftschlägen? Der Besuch beim neu gewählten Vize-Präsidenten Usama Al-Nudschaifi zeigt: «Diese Luftschläge direkt vor den Toren Bagdads helfen uns. Sie helfen uns überall im Irak. Aber Luftschläge sind nicht genug: Wir brauchen Soldaten am Boden, die das Land zurückerobern. Sonst reicht das nicht.»
Gegenseitiges Misstrauen
Damit meint der Vize-Präsident in seinem ersten Interview aber keineswegs die Amerikaner. Und auch keine anderen Kräfte – nicht einmal die schiitisch dominierte irakische Armee solle zwingend im sunnitischen Norden eingreifen.
Doch vollständig will der Vize-Präsident den Amerikanern das Feld nicht überlassen. «Die Bodentruppen müssen von den Bewohnern der jeweiligen Gebiete gestellt werden. Es dürfen keine Fremden sein. Wenn Fremde eingreifen, haben wir danach erneut einen Schlamassel», erklärt er.
Das Misstrauen unter den Irakern selbst ist gross: Sunniten trauen Schiiten nicht, Schiiten trauen Kurden nicht. Und: Kurden trauen Turkmenen nicht. Kein Wunder ist die Stimmung in diesen Tagen gedrückt in Bagdad: «Die meisten Menschen hier wünschen sich nichts als Ruhe. Sie hoffen, dass der Spuk möglichst schnell vorbeigehen möge», sagt Weber. Gleichzeitig wüssten die Menschen, dass dies wohl Wunschdenken sei. «Am Ende droht der Irak gar zu zerfallen.»