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EU-Kommission stellt Polen ein Ultimatum
Innert drei Monaten soll Polen Änderungen an seiner umstrittenen Justiz-Reform vornehmen. Das verlangt die EU-Kommission. Andernfalls könnte das osteuropäische Land seine Stimmrechte im EU-Rat verlieren.
Wegen der umstrittenen Justizreform der nationalkonservativen Regierung Polens hatte die EU-Kommission Anfang Jahr zum ersten Mal ein Verfahren gegen ein Mitgliedsland wegen möglicher Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit eröffnet. Nun treibt es die Behörde weiter voran: Sie verlangt, dass Polen innert drei Monaten Änderungen an der Reform vornimmt.
«Die grundlegenden Bedenken sind weiterhin nicht ausgeräumt», erklärt Frans Timmermanns, Vizepräsident der EU-Kommission. Trotz der Gespräche seit Jahresanfang seien die Hauptaspekte, die das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit gefährdeten, nicht aus der Welt geschafft worden.
Verlust der Stimmrechte im EU-Rat möglich
Die EU-Kommission stört sich vor allem an den Hürden für das Verfassungsgericht: Nach wie vor, so fordert sie, müssten die drei Richter, die von der Vorgängerregierung im Oktober ernannt wurden, ihre Posten antreten. Zudem sollten Urteile veröffentlicht und umgesetzt werden, um sicherzustellen, dass die Entscheide des Gerichts nicht von einem anderen Staatsorgan abhängig seien. Ebenso müssten die Ergebnisse der sogenannten Venedig-Kommission des Europarates vom März vollständig beachtet werden.
Das polnische Parlament hatte am vergangenen Freitag Änderungen zur Ernennung von Richtern am Verfassungsgericht verabschiedet. Damit wollte es die Justizreform vom Dezember abmildern. Die EU-Kommission liess aber durchblicken, dass die neuen Massnahmen weitere Fragen aufwerfen würden.
Lenkt die Regierung in Warschau nicht ein, könnte die EU-Kommission die Anwendung von Artikel 7 der EU-Verträge vorschlagen. Dann könnte Polen in letzter Konsequenz drohen, dass es seine Stimmrechte im EU-Rat verliert – wegen «schwerwiegender und anhaltender Verletzung» der im EU-Vertrag verankerten Werte. Dazu bräuchte es aber die Zustimmung sämtlicher anderer EU-Mitgliedsländer.
Darum geht es bei der Justizreform
Darum geht es bei der Justizreform
Für die Kritiker der polnischen Justizreform geht es um mehr als nur das polnische Verfassungsgericht – eine Säule des Rechtsstaats, so warnen sie, sei im vergangenen Dezember ins Wanken geraten. Die nationalkonservative Regierung versuchte, mit einer Nachbesserung des umstrittenen Gesetzes den Streit mit der EU-Kommission und das Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in Polen zu entschärfen. Präsident Andrzej Duda muss das Gesetz noch unterzeichnen, das im Parlament unmittelbar vor dem Warschauer Nato-Gipfel Anfang Juli zur Abstimmung kam.
Anders als im vergangenen Dezember beschlossenen ursprünglichen Gesetzestext ist für gültige Gerichtsentscheidungen nicht mehr eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Richter nötig. Doch nach wie vor müssen Klagen chronologisch und nicht nach ihrer von den Richtern eingeschätzten Bedeutung behandelt werden. Das umstrittene Mediengesetz und die von Menschenrechtsgruppen kritisierten Polizei- und Antiterrorgesetze kämen danach wohl erst in Jahren zur Sprache. Mehr als 40 Änderungsvorschläge der Opposition wurden abgelehnt.
Für Opposition und Kritiker der Regierung ist die Neufassung des Gesetzes daher rein kosmetisch. Sie fürchten, dass das Verfassungsgericht in seiner Arbeit gelähmt ist. Auch US-Präsident Barack Obama kritisierte die Beschneidung des Tribunals während seines Besuchs in Warschau. Das Verfassungsgericht selbst hatte die Justizreform im März für verfassungswidrig erklärt. Die Regierung erkennt das Urteil jedoch nicht an und hat es bisher – ebenso wie andere Urteile des Gerichts – nicht veröffentlicht. |