Immer mehr Menschen suchen in EU-Ländern Schutz. Dramatisch ist die Lage derzeit vor allem in Griechenland, Italien und Ungarn. Die übrigen Länder scheinen froh über die Schengen-Dublin-Regelung, dass Flüchtlinge nur dort um Asyl ersuchen dürfen, wo sie gestrandet sind. Immer wieder wird betont, dass die Flüchtlingsproblematik eine gesamteuropäische Lösung erfordere – doch stattdessen entfernen sich einige Staaten zunehmend von der EU.
«Dublin-Abkommen ist ein Kernpunkt der EU»
Mehrere EU-Staaten wollen ihre Grenzen wieder kontrollieren, das Dublin-Abkommen gerät ins Wanken. Diese Entwicklung sei für Europa bedrohlich, warnt Steffen Angenendt vom Institut «Wissenschaft und Politik» in Berlin.
«Für die EU ist die Freizügigkeit durch das Schengen-Abkommen ein sehr wichtiger Meilenstein gewesen. Wenn dieser Kernpunkt der europäischen Integration jetzt in Frage gestellt wird – dadurch, dass einzelne Staaten Grenzkontrollen wiedereinführen wollen – dann ist das ein riesiger Rückschritt», sagt Angenendt.
Eine gefährliche Entwicklung. Doch warum finden die Staaten keine gemeinsame Lösung? Bereits im Juni tagten die Regierungschefs, suchten eine Lösung, um die Flüchtlinge möglichst gerecht auf die verschiedenen Länder zu verteilen. Vergeblich.
Egoismus statt Lösungen
Angenendt meint: «Es ist vor allem deshalb gescheitert, weil der Dialog vorher nicht richtig geführt wurde. Weil die kleineren EU-Staaten das Gefühl hatten, da bestimmt mal wieder die EU-Kommission über die Interessen der kleineren Staaten.»
Es seien aber längst nicht nur die kleinen Staaten, die bisher gesamteuropäische Lösung verhindert hätten, meint hingegen der österreichische Autor Robert Menasse. Grund sei vor allem nationalstaatlicher Egoismus.
Länder weisen unterschiedliche Erfahrungen aus
Rund 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Und jede Flüchtlingstragödie bringt die Politiker mehr unter Druck. Eine, die vermehrt für eine gesamteuropäische Lösung plädiert, ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel: «Europa als Ganzes muss sich bewegen. Die Staaten müssen die Verantwortung für die asylbegehrenden Flüchtlinge teilen», betonte Merkel.
In der Flüchtlingspolitik müssen sämtliche 28-EU-Staaten einverstanden sein. Mit den Signalen aus Deutschland und auch Frankreich werde die EU diese Zerreissprobe aber meistern, ist der Europa-Experte Dieter Freiburghaus überzeugt.
Freiburghaus erklärt, die EU-Staaten hätten bisher ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Teils Staaten hätten bereits Erfahrungen mit Flüchtlingen, andere nicht. «Aber wenn Merkel und Hollande weiterhin an einem Strick ziehen, wird man die Staaten davon überzeugen können, dass es eine neue Flüchtlingspolitik braucht», ist Freiburghaus überzeugt.