Die konservative Europäische Volkspartei (EVP) mit ihrem Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker ist aus der Europawahl in 28 Ländern als stärkste Kraft hervorgegangen. Sie wird auch im neuen Europaparlament mit 212 Abgeordneten die grösste Fraktion stellen (früher: 273).
Ihr Vorsprung auf die zweitstärkste politische Kraft, die Sozialdemokraten, schrumpfte allerdings. Die Linke büsste ebenfalls ein. Für sie sitzen künftig 186 Vertreter im Europaparlament (vorher: 196).
Die Stimmenverluste bei den etablierten Parteien gingen vor allem auf das Konto der Rechtspopulisten, die deutlich hinzugewannen. Einer Hochrechnung zufolge werden im neuen EU-Parlament etwa 140 europafeindliche beziehungsweise europakritische Abgeordnete sitzen.
Rechtsrutsch in Frankreich und Grossbritannien
Die stärksten Zuwächse erreichten die Rechtspopulisten vor allem in Frankreich und Grossbritannien. In Frankreich kam der rechtsextreme Front National auf rund 25 Prozent der Stimmen – bei der Europawahl vor fünf Jahren waren es 6,3 Prozent gewesen.
Einen ähnlichen Erfolg konnte der britische Rechtspopulist Nigel Farage mit seiner europafeindlichen Partei Ukip verzeichnen. Die Partei kam nach vorläufigen Ergebnissen auf 28 Prozent der Stimmen. Einer Berechnung der BBC zufolge entfallen damit 24 der 73 britischen Sitze auf UKIP, die bisher mit 13 Parlamentariern im Europaparlament vertreten war. Farage sprach von einem «Erdbeben».
In Dänemark lagen die Rechtspopulisten von der Dänischen Volkspartei (DF) mit 26,6 Prozent vorn. In Österreich legte die rechtspopulistische FPÖ deutlich zu und landete mit knapp 20 Prozent auf dem dritten Platz.
Griechische Regierung abgestraft
Auch in Griechenland nutzten die Wähler den Urnengang für eine Abrechnung mit der Regierung. Die Linksallianz Syriza kam ersten Ergebnissen zufolge auf 26,5 Prozent. Damit lag sie vor der konservativen Nea Dimokratia (ND) von Regierungschef Antonis Samaras mit 23,2 Prozent. Drittstärkste Kraft ist demnach die rechtsradikale und rassistische Partei Goldene Morgenröte mit 9,3 Prozent.
In Deutschland behaupteten die etablierten Parteien ihre Vormachtstellung. Allerdings büssten vor allem die konservativen Unionsparteien deutlich ein – insbesondere wegen herber Verluste der bayrischen CSU. Die SPD mit Junckers Rivalen Martin Schulz als europäischem Spitzenkandidaten gewann nach ihrem Tief vor fünf Jahren kräftig hinzu. Die euroskeptische Alternative für Deutschland (AfD) schaffte es bei ihrer ersten Europawahl mit einem starken Ergebnis von 7,0 Prozent ins Parlament.
Leicht höhere Wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung lag mit fast 43,1 Prozent geringfügig höher als 2009, womit erstmals der stete Abwärtstrend bei der Beteiligung gestoppt wurde. Die Parteienfamilien hatten erstmals europaweite Spitzenkandidaten aufgestellt – Martin Schulz für die Sozialdemokraten und Jean-Claude Juncker für die Konservativen.
Beide Politiker betonten am Sonntagabend ihren Anspruch auf den Posten des EU-Kommissionschefs. Schulz und Juncker kündigten an, sich nun um eine Mehrheit im Europaparlament bemühen zu wollen. Ob aber wirklich einer von ihnen EU-Kommissionspräsident wird, ist fraglich: Neben der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel stellt sich auch der britische Premier David Cameron gegen einen entsprechenden Automatismus.