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Europawahlen Werden Renzis Demokraten die stärksten Sozialdemokraten Europas?

Die EU-Wahl galt als wichtiger Test für Italiens Regierungschef Renzi. Seine Mitte-Links-Partei wird stärkste Kraft – doch dahinter folgen die Europaskeptiker. Und auch die Rechtspopulisten feiern.

Italiens Regierungschef Matteo Renzi ist mit seiner Demokratischen Partei (PD) bei den Europawahlen stärkste Kraft geworden. Die PD kam laut ersten Prognosen auf 41,8 Prozent der Stimmen. Dies ist laut SRF-Korrespondent Philipp Zahn eine absolute Überraschung. Damit könnte der Partito Democratico die stärkste sozialdemokratische Partei Europas werden. Dies werde die politischen Kräfteverhältnisse zwischen Nord und Süd in Europa verschieben, so Zahn weiter.

Dahinter liegt die europaskeptische und populistische Protestbewegung Fünf Sterne (M5S) des Komikers Beppe Grillo. Sie erreichte bei ihrer ersten Europawahl 21,6 Prozent. Bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr war die Protestbewegung auf Anhieb auf 25,55 Prozent der Stimmen im Abgeordnetenhaus gekommen.

Matteo Renzi bei der Stimmabgabe in Pontassieve bei Florenz.
Legende: Hat auch nach der Wahl gut lachen: Matteo Renzi bei der Stimmabgabe in Pontassieve bei Florenz. Keystone

Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi und seine konservative Forza Italia (FI) sind aller Voraussicht nach nur noch die drittstärkste Kraft. Bei der EU-Wahl 2009 war Berlusconi mit seiner Partei Volk der Freiheit (PdL) mit 35,3 Prozent stärkste Kraft in Italien geworden. Die PdL ist jetzt aufgespalten in Berlusconis FI, die auf rund 16 Prozent der Stimmen kommt, und die Nuovo Centrodestra (Ncd) von Innenminister Angelino Alfano.

Verluste hinnehmen muss die rechtspopulistische Lega Nord. Sie bekam den ersten Prognosen zufolge sechs Prozent der Stimmen und damit vier Prozentpunkte weniger als vor fünf Jahren. Dennoch schafft die Partei damit voraussichtlich den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde.

Auch ins Parlament einziehen könnte das linke Bündnis «Ein anderes Europa mit Tsipras», das den griechischen Syriza-Oppositionspolitiker unterstützt und den Prognosen zufolge auf 4,2 Prozent der Stimmen kommt.

«Was wir bislang wissen: Die Wahlbeteiligung liegt unter Umständen 10 Prozent niedriger als bei den letzten Europawahlen», sagt SRF-Korrespondent Philipp Zahn. «Das zeigt eine gewisse Müdigkeit bei den Italienern, die eigentlich dafür bekannt waren, dass sie sehr europafreundlich waren.»

Die Europa-Begeisterung halte sich mittlerweile sehr stark in Grenzen, das spüre Regierungschef Matteo Renzi, der nach zwei Monaten im Amt mehr Gegenwind verspüre als Rückenwind, sagt Philipp Zahn. «Und davon profitiert sein Widersacher Peppe Grillo: Seine Partei will ja den Italienern ein Referendum vorschlagen um die Lira einzuführen, vom Euro wegzugehen, also eine ganz klare europakritische Politik.»

Italien entsendet insgesamt 73 Abgeordnete ins Parlament. Die Wahlbeteiligung war trotz gleichzeitig stattfindender Kommunal- und Regionalwahlen gering. Bis 19 Uhr und damit vier Stunden vor Schliessung der Wahllokale hatten 42,14 Prozent der knapp 50 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. 2009 waren es zum gleichen Zeitpunkt 52,86 Prozent gewesen, allerdings hatten die Wahllokale damals schon am Samstag geöffnet.

Europawahl – Italien

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