Filmen, Interviewen und Recherchieren in der Türkei: Nicht erst seit dem gescheiterten Putsch kann man sich damit verdächtig machen. Vor allem, wenn man sich mit dem Kurdenkonflikt auseinandersetzt. Ich war für die «Rundschau» ein paar Tage in Diyarbakir, der Kurdenhochburg im Südosten der Türkei.
Der bürokratische Hürdenlauf begann Wochen vor unserer Reise. Niemand schien zu wissen, welche Bewilligungen für die kurdischen Gebiete nötig sind. Eigentlich hätten es die zuständigen Behörden am liebsten, wenn ausländische Journalisten nicht in diese Gebiete reisen würden.
Direkt sagt das allerdings niemand. Der Staat statuiert aber immer wieder ein Exempel an Berufskollegen. Zwei Wochen vor meiner Abreise nahm die Polizei einen französischen Journalisten fest und deportierte ihn. Kurz vor unserem geplanten Trip haben Sicherheitskräfte eine Kollegin von BBC verhaftet.
Vertrauen ist unbezahlbar
Entsprechend gemischt waren die Gefühle, mit denen ich nach Diyarbakir flog, auch wenn ich alle erdenklichen Zusatzbewilligungen und regionale Presse-Akkreditierungen in meiner Tasche hatte. Meine Produzentin Irep hatte wochenlang telefoniert, um für unser fünfköpfiges Team aus Schweizern und Türken alle nötigen Papiere zu erhalten. Werden wir schon bei der Ankunft durchsucht? Ist schon am Flughafen mit Schwierigkeiten zu rechnen? Wie viele Strassensperren werden wir passieren bis zum Hotel?
Mein langjähriger kurdischer Fahrer Cengiz wartet in der Ankunftshalle des Flughafens. Wir begrüssen uns herzlichst. Er ist einer der Wichtigsten in meinem Team. Er weiss, in welche Gebiete wir gefahrlos fahren können, er kennt die Checkpoints, er ist gut vernetzt, kann im Notfall die richtigen Leute anrufen. Sein Talent hat er im letzten Frühling gezeigt, als wir kurzfristig bei einer Anti-Terroreinheit «Tee trinken» mussten. Vertrauen und absoluter Verlass – das ist unbezahlbar.
Vermummte Soldaten
Mit starken Taschenlampen wird in unser Auto geblendet. Kurz nach dem Flughafen müssen wir stoppen. Die Soldaten sind vermummt. Als sie mich, eine Frau, sehen, winken sie uns durch. Noch zwei weitere Kontrollen, dann erreichen wir das Hotel.
In den nächsten Tagen versuchen wir, uns ein Bild der Stadt zu machen. Tausende sind seit dem gescheiterten Putsch verhaftet worden, NGOs und Medien unter Terrorverdacht geschlossen, gewählte Bürgermeister im Gefängnis und durch Zwangsverwalter ersetzt. Schon vor dem Putschversuch sind grosse Teile der Altstadt platt gewalzt worden – auch, um es leichter zu machen, die verwinkelten Gebiete zu kontrollieren.
Schüsse auf Fotografen
Wir treffen eine Bloggerin, die noch immer ihre Meinung schreibt, einen Fotografen, der bei einem Arbeitseinsatz angeschossen wurde und dennoch weiter filmt. Schliesslich öffnet uns sogar der lokale Parteichef von Erdogans AKP seine Türen. Wir dürfen mit ihm auf eine Tour durch die Stadt. Er stellt unser Team seiner Familie vor.
Obwohl wir in einer belagerten Stadt arbeiteten, ging fast alles rund. Fast – bis zur sprichwörtlich letzten Minute am Flughafen auf dem Weg zurück nach Istanbul.
Gefahr deutsche Sprache
«Sprechen Sie Deutsch?», fragte mich ein Beamter vor dem Röntgenapparat. Das «Ja» war Tatbeweis und Startschuss für eine Durchsuchungsaktion sondergleichen. Am Morgen hatte Präsident Erdogan nämlich dazu aufgerufen, es allen deutschen Staatsbürgern auf türkischem Boden heimzuzahlen, weil die deutschen Behörden zuvor eine türkische Parlamentarierin bei der Ausreise schikaniert hätten.
Wir wurden bis auf die Schmutzwäsche und die Ohrenstäbchen im Toilettenbeutel gefilzt. Nach knapp 45 Minuten war der Spuk vorbei. Inzwischen war auch in Diyarbakir klar geworden: Schweizer sind keine Deutschen.