Wie läuft der Kongress ab?
Der vielleicht wichtigste Kongress in der Geschichte der Fifa beginnt am Morgen um 9.30 Uhr und wird von Issa Hayatou geleitet, der den Verband seit der Dispensierung von Sepp Blatter interimistisch führt. Auch Hayatou ist jedoch Teil des gescheiterten Systems Fifa. Die ARD berichtete jüngst, er habe eine Millionen-Zahlung erhalten, um bei der Vergabe für die WM 2022 für Katar zu stimmen. Als erstes bedeutendes Traktandum steht unter Punkt 9 die Abstimmung über das vorgeschlagene Reformpaket auf der Tagesordnung. Erst zum Schluss folgt die Wahl des neuen Präsidenten. Wie lange der Kongress am Freitag dauert, ist völlig ungewiss.
Wie läuft die Präsidentenwahl ab?
Vor der Wahl haben die Kandidaten das Recht, während 15 Minuten ihr Programm darzulegen. Das dürfte dauern: Allein die Wiederholung der oft zitierten Wahlkampf-Ansagen dauern 75 Minuten.
Die geheime Abgabe der Wahlzettel erfolgt in alphabetischer Reihenfolge. Das Prozedere dürfte pro Wahlgang bis zu eineinhalb Stunden dauern.
Vor jedem Wahlgang können die Kandidaten ihre Kandidatur zurückziehen. Spekuliert wird beispielsweise darüber, dass Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino vor einem allfälligen letzten Wahlgang zugunsten von Scheich Salman verzichten könnte, um später unter diesem das – durch das Reformpaket massiv gestärkte – Amt des Generalsekretärs zu übernehmen.
Wer wählt den neuen Präsidenten?
Jedes der 209 Mitgliedsländer hat eine Stimme. Die Stimmengewichte sind damit wie folgt auf die Kontinentalverbände verteilt:
- Afrika: 54 Stimmen
- Europa: 53 Stimmen
- Asien: 46 Stimmen
- Nord- und Mittelamerika: 35 Stimmen
- Ozeanien: 11 Stimmen
- Südamerika: 10 Stimmen
Um im ersten Wahlgang gewählt zu werden, benötigt ein Kandidat zwei Drittel der Stimmen der anwesenden Mitglieder. Diese wird jedoch keiner der Kandidaten bekommen. Ab dem zweiten Wahlgang genügt die absolute Mehrheit, der Kandidat mit den wenigsten Stimmen scheidet aus.
Wer sind die Kandidaten und Favoriten für das Präsidium?
Fünf Kandidaten bewerben sich um die Wahl zum Fifa-Präsidenten.
Als Topfavorit gilt allgemein Scheich Salman aus Bahrain und Mitglied des dortigen Königshauses. Trotz seinen angeblichen Verwicklungen in Menschenrechtsverletzungen gegen Sportler nach Oppositionsprotesten in seiner Heimat im Jahr 2011. Der Präsident des asiatischen Kontinentalverbandes hat auch den afrikanischen Verband hinter sich.
Allerdings haben zuletzt zahlreiche afrikanische Landesverbände angekündigt, dennoch für den Schweizer Gianni Infantino zu stimmen. Auch der europäische «Ersatzkandidat» für Michel Platini scheint damit nicht aussichtslos, zumal er die Uefa sowie die grossen südamerikanischen Landesverbände hinter sich weiss. Die übrigen Kandidaten gelten als chancenlos.
Was verspricht ein neuer Präsident?
Die grosse Revolution sei vom neuen Mann an der Spitze der Fifa nicht zu erwarten, meint Jean François Tanda, Fifa-Experte bei SRF. Beide Kandidaten mit intakten Wahlchancen seien Kandidaten des alten Systems.
Korruptionsexperte über die Favoriten
«Uefa-Generalsekretär Infantino vertritt jene Konföderation, die sich in der Vergangenheit am heftigsten gegen Reformen gewehrt hat», sagt Tanda. «Und von Scheich Salman kam die Forderung, sich schon vor dem Kongress auf einen einzigen Kandidaten zu einigen. Das sagt alles über sein Demokratieverständnis.»
Entscheidender als der Name des neuen Präsidenten sei die Zustimmung zu den vorgeschlagenen Reformen, sagt Tanda. Und der Name des neuen Generalsekretärs. Denn dieses Amt wird durch die geplante Beschränkung des Präsidiums und des Exekutivkomitees auf Aufsicht und strategische Aufgaben deutlich an Bedeutung gewinnen.
Verspricht das Reformpaket echte Neuerungen?
«Ja», sagt Jean François Tanda mit Blick auf die zentralen Punkte des vorgeschlagenen Reformpakets. Insbesondere die Trennung von Aufsicht und operativem Geschäft beende ein System, das in der Wirtschaft längst verpönt ist. Der zweite zentrale Punkt des Reformpakets seien die klaren Vorgaben bezüglich der Transparenz von Finanzströmen.
Für den Beschluss des Reformpakets ist eine 3/4-Mehrheit nötig. Für diese haben Interimspräsident Issa Hayatou und der interimistische Generalsekretär Markus Kattner am Donnerstag bei diversen Meetings der Konföderationen nochmals intensiv geworben.
Hintergrund ist der enorme Druck durch die US-Justiz. Bei einer Ablehnung der Reformen droht der Fifa in den USA die Einstufung als «kriminelle Institution».
Was ist mit Sepp Blatter?
Die Sperre des Wallisers gilt für sämtliche Fifa-Veranstaltungen und damit auch für das Hallenstadion. Den Kongress für die Wahl seines Nachfolgers nicht selbst zu leiten und gar davon ausgeschlossen zu sein, kommt für den bald 80-Jährigen, der den grossen Auftritt als «Mr. Fifa» seit Jahrzehnten zelebrierte, einer Schmach gleich.