- Worüber genau wird abgestimmt?
Die Frage, die die Regierung der Bevölkerung vorlegt, lautet: «Wollen Sie zulassen, dass die Europäische Union bestimmen darf, dass nicht-ungarische Bürger in Ungarn ohne Zustimmung des nationalen Parlamentes angesiedelt werden?» Eine allgemeine Formulierung, doch in Ungarn wissen alle, worum es geht: um den Plan der EU, Asylsuchende auf alle Länder zu verteilen, die zum Schengenraum gehören, also auch auf die Schweiz.
- Wie viele Flüchtlinge müsste Ungarn aufnehmen?
Von den 160‘000 Flüchtlingen, deren Verteilung schon beschlossen ist, fielen etwa 2000 auf Ungarn. Die EU-Kommission arbeitet überdies an einem Plan, der vorsieht, in Notsituationen Asylsuchende dauerhaft zu verteilen. Dadurch sollen Länder entlastet werden, die wie derzeit Italien und Griechenland überfordert sind. Als Ersteintrittsländer wären sie nach den geltenden Regeln nämlich für alle Asylsuchenden zuständig. Da Migrationsströme nicht vorherzusehen sind, lässt sich nicht sagen, wie viele Asylsuchende Ungarn aufnehmen müsste, falls die dauerhafte Umverteilung in Notsituationen eingeführt würde.
- Ist eine Abstimmung wie in Ungarn überhaupt zulässig?
Niemand kann die ungarische Regierung daran hindern, sie durchzuführen. Doch ungarische Rechtsexperten wenden ein, dass die Verfassung Volksabstimmungen verbietet, die Verpflichtungen des Landes aus internationalen Verträgen betreffen. Ohnehin ist eine nationale Abstimmung über einen EU-Entscheid problematisch. Denn EU-Recht bricht nationales Recht. Die Abstimmung stellt einen gouvernementalen Aufruf zu nationalem Ungehorsam gegen die EU dar. Juristische Probleme sind dennoch nicht zu erwarten, da die Abstimmung, egal wie sie ausgeht, keine rechtlichen Konsequenzen hat.
- Wie rechtfertigt die Regierung die Abstimmung?
Sie sagt, es gehe nicht um vergangene EU-Entscheide, sondern um zukünftige. Also um den Plan, Asylsuchende dauerhaft umzuverteilen. Die Regierung spricht von einer nicht zu stoppenden Einwanderungswelle, die die kulturelle Identität der ungarischen Gesellschaft und Europas gefährden würde. Mit der Abstimmung will die ungarische Regierung ihre Verhandlungsposition in Brüssel stärken. Das kleine Ungarn werde eher beachtet, so die Regierung, wenn es seine Position mit Verweis auf den starken Rückhalt in der Bevölkerung vertreten könne.
- Was geschieht, wenn die Bevölkerung der Regierung folgt?
Damit die Abstimmung gültig ist, müssen 50 Prozent der Wahlberechtigten eine gültige Stimme abgeben. Die Regierung kämpft mit einer grossen, hetzerischen Werbekampagne und vielen Auftritten dafür, dass sie diese Hürde schafft. Direkte Folgen hätte zwar auch eine gültige Abstimmung nicht, wohl aber Symbolkraft.
- Warum kam es zu dieser Abstimmung?
Die ungarische Regierung ordnete sie an, nachdem die EU-Minister per Mehrheitsentscheid und gegen den Willen der Vertreter Ungarns, Polens, Tschechiens und Rumäniens entschieden hatten, insgesamt 160'000 Flüchtlinge umzuverteilen.
- Wie verhält sich die ungarische Opposition zu dieser Abstimmung?
Die Rechtsaussenpartei Jobbik unterstützt die Regierung, die meisten liberalen und linken Oppositionsparteien riefen zu einem Boykott der Abstimmung auf. Sie sehen darin ein innenpolitisches Manöver der Regierungspartei Fidesz, Wähler zu umgarnen und von den wirklichen Problemen des Landes, etwa den Korruptionsskandalen, abzulenken. Doch kaum eine Partei engagiert sich stark gegen das Referendum. Nur die ausserparlamentarische Partei des zweischwänzigen Hundes hat eine Gegenkampagne organisiert, die wegen ihres Humors viel Beachtung findet.
- Wie gross ist das Flüchtlingsproblem in Ungarn?
Letztes Jahr zogen eine halbe Million Asylsuchende durch Ungarn. Doch kaum jemand blieb im Land. Insgesamt hat Ungarn weniger als 2000 Flüchtlinge anerkannt, und es ist unklar, wie viele dieser 2000 sich tatsächlich in Ungarn aufhalten.