- Laut Fifa-Anwälten sollen sich Ex-Präsident Sepp Blatter, Ex-Generalsekretär Jêrome Valcke und der ehemalige Fifa-Finanzdirektor Markus Kattner in den letzten 5 Jahren um fast 80 Millionen Franken bereichert haben
- Der Betrag setze sich aus Bonuszahlungen, Gehaltserhöhungen und andere Zuwendungen zusammen
- Die Verträge sollen teilweise gegenseitig bewilligt worden sein
- Die Fifa hat die Dokumente an die BA und die US-Behörden weitergeleitet
- Blatters Anwalt deklariert die Zahlungen als «sauber und fair»
Der Skandal um die Fifa hat offenbar eine neue Dimension erreicht: Nach Angaben der US-Kanzlei Quinn Emanuel sollen sich der frühere Präsident Joseph Blatter, der entlassene Generalsekretär Jérôme Valcke und der kürzlich ebenfalls geschasste Finanzchef Markus Kattner in der Vergangenheit massiv selbst bereichert haben. Quinn Emanuel verwaltet seit Mai 2015 den Weltfussballverband.
Blatter: «Alles sauber und fair»
Auf der Grundlage ihrer Untersuchungen für den Zeitraum 2010 bis 2015 nannten die Fifa-Juristen eine Gesamtsumme von über 79 Millionen Franken. Bei den möglichen Bereicherungen soll es um Bonuszahlungen, Gehaltserhöhungen und andere Zuwendungen gehen.
Laut Fifa haben die Zahlungen und auch die Vertragsabschlüsse gegen Schweizer Recht verstossen. Blatters New Yorker Anwalt Richard Cullen betonte dagegen in einem Statement, dass die Zahlungen an seinen Mandanten «sauber, fair und in Einklang mit jenen von Präsidenten grosser Sportligen weltweit waren.»
Auch der 80-jährige Blatter selbst weist die schweren Selbstbereicherungsvorwürfe seitens des Fußball-Weltverbandes zurück. «Es ist alles sauber und fair gewesen», sagte Blatter dem Sportinformationsdienst.
26 Millionen Franken für die WM in Südkorea
Die zuständigen Fifa-Anwälte geben in ihren Bericht von den Bereicherungen der Ex-Führungsriege des Weltfussballverbands anschauliche Beispiele. So sollen am 1. Dezember 2010 als Bonus für die WM in Südkorea angeblich 23 Millionen Franken auf die Konten von Blatter, Valcke und Kattner geflossen sein. Schon ein Jahr später seien es 26 Millionen Franken für die Endrunde 2014 gewesen, obwohl das Turnier noch in weiter Ferne lag.
Nur ein kleiner Kreis soll Kenntnis von den Zahlungen gehabt haben. Mitunter wurden die Verträge angeblich gegenseitig bewilligt.
Vertragsverlängerungen ins Blaue hinaus
Doch damit nicht genug. Kurz vor der Präsidentenwahl 2011 wurden die Verträge von Valcke und Kattner angeblich kurzerhand um achteinhalb Jahre verlängert. Dies, obwohl unklar war, ob Blatter überhaupt wiedergewählt wurde. Die Kontrakte sollen dabei höchst fragwürdige Klauseln enthalten haben, die gegen Schweizer Recht verstiessen.
Laut den Fifa-Juristen wurde etwa geregelt, dass bei einer vorzeitigen Trennung das komplette Gehalt bis zum Vertragsende ausbezahlt werden muss – ungeachtet dessen, ob eine Vertragsauflösung rechtlich begründet sei. Dazu hätte es eine sogenannte Schadloserklärung gegeben, wonach die Fifa für alle Verfahrenskosten aufkommt, sollte der Mitarbeiter wegen seiner Fifa-Tätigkeit zivil- oder strafrechtlich belangt werden.
Dokumente an BA und US-Behörden weitergeleitet
In den Dokumenten taucht auch der Name von Domenico Scala auf. Der jüngst zurückgetretenen Chefaufseher hat offensichtlich am 31. Mai die Vertragsverlängerung von Kattner um weitere vier Jahre mit abgesegnet, obwohl nur vier Tage vorher die Schweizer Behörden zusammen mit der US-Justiz am Rande des Kongresses in Zürich mehre Fifa-Topfunktionäre festgenommen hatten.
Wie die Fifa mitteilt, hat sie die Unterlagen ihrer Untersuchung bereits an die schweizerische Bundesanwaltschaft (BA) und die US-Justizbehörde (DoJ) weitergeleitet. Die Zahlungen und Vertragsabschlüsse erweckten den Anschein, gegen Schweizer Recht zu verstossen.
Vor dem Bericht die Razzia
Dieser Information war eine erneute Razzia im Fifa-Hauptquartier in Zürich vorausgegangen. Wie die BA gegenüber «10vor10» bestätigte, hatte sie am Donnerstagabend eine Hausdurchsuchung vorgenommen. Die Untersuchung solle die bisherigen Erkenntnisse im Strafverfahren bestätigen beziehungsweise ergänzen, teilte die BA mit.
Die Untersuchungen würden sich nach wie vor nur gegen die von der BA in früheren Stellungnahmen bekannt gegebenen Personen sowie gegen Unbekannt richten. Gegen Fifa-Präsident Gianni Infantino sei kein Strafverfahren hängig, teilte die BA weiter mit.
Die Ermittlungs- und Anklagebehörde des Bundes verweist damit auf die laufenden Untersuchungen wegen mutmasslicher Geldwäscherei, Bestechung und organisierter Kriminalität. Diese wurden vor einem Jahr durch die US-Behörden angestossen und haben unter anderem den langjährigen Fifa-Präsidenten Sepp Blatter und den früheren Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke im Visier.
Infantino soll Tonaufnahmen gelöscht haben
Die Fifa-Ethikkommission hatte sich noch am Freitagvormittag gegen Vorwürfe gewehrt, die gegen den Fifa-Präsidenten Gianni Infantino laut geworden waren. Auslöser waren diverse Medienberichte, denen zufolge Infantino sein Amt nicht ordnungsgemäss ausgeübt habe. «Gegen Herrn Infantino ist kein formelles Verfahren eröffnet worden», betonte Roman Geiser, Sprecher der Fifa-Ethikkommission.
Namentlich die deutsche Zeitung «Welt am Sonntag» hatte am Donnerstag berichtet, gegen Infantino seien mehrere Anzeigen bei der Ethikkommission eingegangen. Ihm drohe eine provisorische Sperre für 90 Tage.
Nach Angaben der Zeitung – die sich auf die Einsicht in einen «bislang geheimen internen Schriftverkehr» berief – sollen auf Anweisung Infantinos Tonaufnahmen einer Sitzung des Fifa-Councils Mitte Mai in Mexiko-Stadt vernichtet worden sein.