SRF: Johanna Feier, was änderte sich mit dem Verkauf an die USA für die Bewohner Alaskas?
Johanna Feier: Die Russen gaben ihre Besitztümer auf. Der russischen Bevölkerung in Alaska wurde die Möglichkeit gegeben, entweder nach Russland zurückzukehren oder innerhalb von drei Jahren die amerikanische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Die Phase direkt nach dem Verkauf Alaskas wird in den Geschichtsbüchern als extrem chaotisch bezeichnet. Deswegen zog es die meisten Russen wieder in ihre ursprüngliche Heimat zurück.
Kann man heute noch ein russisches Erbe erkennen?
Bis zu einem gewissen Grad, ja. Die Stadtbilder der damaligen grossen russischen Siedlungen wie zum Beispiel Kodiak sind teilweise noch von russisch-orthodoxen Kirchen mit ihren Zwiebeltürmen geprägt. Immer wieder arbeiten auch die indigenen Bevölkerungsgruppen beider Länder zusammen, vor allem im Bereich des Umweltschutzes. Ansonsten ist Russland in Alaska kaum mehr präsent.
Alaska entwickelte sich von einer Eistruhe zu einer Schatzkiste.
Wie veränderte sich Alaska aus wirtschaftlicher Sicht?
Der grösste Teil Alaskas blieb eigentlich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts unerforscht. Erst mit den Goldfunden stieg der wirtschaftliche Wert Alaskas und immer mehr Amerikaner strömten in das Gebiet. Die Gegend entwickelte sich also gewissermassen von einer Eistruhe zu einer Schatzkiste.
Und wie erging es den Ureinwohnern?
Die Beziehung zwischen den indigenen Völkern und den einströmenden Amerikanern war von verschiedenen Konflikten geprägt. Weil Alaska lange unerforscht blieb, verzögerte sich die Verdrängung der indigenen Völker. In den restlichen USA war die Verdrängung in der Mitte des 19. Jahrhunderts in vollem Gange. In Alaska begannen die grösseren Landkonflikte erst im 20. Jahrhundert, besonders nach dem Erdölfund in Prudhoe Bay in den 1960er-Jahren. Denn dort stellte die örtliche indigene Bevölkerung Landansprüche.
Was passierte dann?
Dies führte zum «Alaska Native Claims Settlement Act», ein Vertrag mit welchem die indigenen Völker auf einige ursprüngliche Ansprüche verzichteten (dafür aber Kompensationszahlungen und anderen Grundbesitz erhielten, Anm. der Redaktion). Natürlich hat sich in der Lebensart der indigenen Bevölkerung sehr vieles verändert. Allerdings ist zu sagen, dass die Ureinwohner selbst dies nicht immer als negativ einschätzen.
Die Zukunft ist aus Sicht der Urbevölkerung mit einem grossen Fragezeichen belastet.
Profitiert die indigene Bevölkerung denn von der guten wirtschaftlichen Situation der Region?
Zu einem gewissen Mass sicher. Allerdings stellt sich natürlich die Frage, was in ein paar Jahrzehnten sein wird. Es gibt innerhalb der Urbevölkerung unterschiedliche Meinungen dazu, ob man eine stärkere Förderung von Bodenschätzen zulassen soll oder nicht. Irgendwann werden die Erdölvorkommen aufgebraucht sein und die Frage stellt sich, wie sich die indigene Bevölkerung, die zum Teil in sehr abgelegenen Gegenden lebt, dann über Wasser halten wird. Denn die ursprünglichen Einnahmequellen wie Fischfang oder Walfang sind nicht mehr so ergiebig wie früher. Die Zukunft ist aus Sicht der Urbevölkerung mit einem grossen Fragezeichen belastet.
Wie geht es Alaska heute?
Alaska steht wirtschaftlich ganz gut da. Ironischerweise auch dank des Klimawandels. So wird die geografische Lage Alaska zum Beispiel bei der Erschliessung neuer Schiffsrouten durch das Polarmeer mitmischen lassen. Es tun sich neben der Förderung natürlicher Ressourcen also auch andere Möglichkeiten auf. Alaska wird wirtschaftlich sicher weiterhin gut mitmischen.
Umweltschützer haben aber grosse Bedenken.
Ja. Kurz vor Ende seiner Amtszeit stoppte deshalb Barack Obama die Erschliessung weiterer Öl- und Gasvorkommen in den arktischen Gewässern. Von Umweltschützern wurde das sehr begrüsst. Man weiss aber noch nicht, wie es unter Präsident Donald Trump weitergehen wird. Alaska wird weiterhin im Spannungsfeld zwischen Umweltschutz und der Förderung natürlicher Ressourcen stehen.
Das Gespräch führte Rafael von Matt.
HeuteMorgen, 30.4.2017