Krankenschwestern und Pfleger in Liberias grösstem Spital sind in einen unbefristeten Streik getreten. Sie fordern mehr Lohn und besseren Schutz vor dem Ebola-Virus. Sie würden erst wieder zurückkehren, wenn sie mit Schutzanzügen ausgerüstet seien, sagte der Sprecher der Streikenden am John F. Kennedy-Hospital in Monrovia, John Tugbeh.
Jedes zehnte Opfer ist Arzt oder Pfleger
Seit Beginn der Epidemie hätten sich viele Ärzte und Mitarbeiter des Spitals infiziert, weil sie ungeschützt mit den Patienten gearbeitet hätten. Die Spitalverwaltung äusserte sich zunächst nicht zu den Arbeitsniederlegungen. Wegen der Gefahr für das medizinische Personal war die Klinik bereits im Juli zeitweise geschlossen worden. Ein längerer Streik dürfte den Kampf des westafrikanischen Landes gegen das tödliche Virus aber stark beeinträchtigen.
An dem Erreger, der über Körperflüssigkeiten übertragen wird, sind bereits mehr als 1500 Menschen gestorben, darunter allein 700 in Liberia. Rund zehn Prozent der Opfer waren Ärzte, Pfleger oder Krankenschwestern.
Grenzschliessung gelockert
Nach Kritik der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschloss die Regierung der Elfenbeinküste unterdessen, die Grenzschliessungen zu den Ebola-Ländern Guinea und Liberia etwas zu lockern. Hilfskonvois könnten ab sofort über «humanitäre Korridore» in die betroffenen Nachbarstaaten fahren, kündigte der Nationale Sicherheitsrat an.
Die Elfenbeinküste hatte am 22. August ihre Landesgrenzen nach Guinea und Liberia geschlossen, um sich vor einer Ausbreitung des Erregers zu schützen. Diese und ähnliche Massnahmen werden von der WHO abgelehnt, da die Epidemie schon jetzt der Wirtschaft und den sowieso schwachen Gesundheitssystemen der betroffenen Länder stark zusetzt.
«Schwere Versäumnisse»
Bei der Bekämpfung der Ebola-Epidemie in Westafrika warf Weltbank-Chef Jim Yong Kim der Weltgemeinschaft «schwere Versäumnisse» vor. Die Reaktion auf den Ausbruch der Seuche sei «verheerend unzulänglich», kritisierte Kim in der «Washington Post»: «Viele sterben unnötig.»
Kim rief die wohlhabenden Länder dazu auf, den afrikanischen Staaten beizustehen. Mit der medizinischen Ausrüstung des Westens könne die Krankheit leicht eingedämmt werden. «Wir befinden uns in einem gefährlichen Moment», warnten Kim und sein Mitautor, der Harvard-Professor Paul Farmer. «Zehntausende Menschenleben, die Zukunft der Region und schwer erkämpfte wirtschaftliche wie medizinische Fortschritte für Millionen von Menschen hängen in der Schwebe.»
Auch eine wirtschaftliche Krise
«Die Ebola-Epidemie ist nicht nur eine medizinische Krise, sondern auch eine wirtschaftliche», urteilt der Chef der Afrikanischen Entwicklungsbank, Donald Kaberuka.
«Es ist eine totale Katastrophe, wir verlieren sehr viel Geld», sagt Alhaji Bamogo, der auf dem zweitgrössten Markt in Liberias Hauptstadt Monrovia Kleidung verkauft. «Auf den Markt kommt nur, wer Lebensmittel oder etwas zur Desinfektion gegen Ebola kaufen will.» Liberia ist am härtesten von dem Virus getroffen, alleine hier fielen dem Fieber mehr als 600 Menschen zum Opfer.
Kakao verrottet auf den Feldern
Überall in den ressourcenreichen Ländern setzen Firmen ihren Betrieb aus. Ausländische Unternehmen wie der Stahlkonzern Arcelor Mittal sagen ihren Angestellten ab, mehrere internationale Fluggesellschaften fliegen die betroffenen Regionen nicht mehr an.
Auch die einheimischen Händler und Bauern reagieren: Nur wenige Kaufleute verlassen noch ihre Heimatorte, um Nachschub zu besorgen. In einigen Gebieten in Sierra Leone und Liberia, die unter Quarantäne stehen, verrotten unter anderem die für den Export wichtigen Kakao- und Kaffeebohnen auf den Feldern. Die Bauern wagen es nicht, für die Ernte ihr Zuhause zu verlassen.
«Die Menschen werden immer weniger reisen», sagt Phillipe De Vreyer, Pariser Experte für die Wirtschaft Westafrikas. «Der Mann zum Beispiel, der normalerweise auf den Markt geht und sein Gemüse verkauft, bleibt lieber daheim.» Die Bevölkerung bekommt deshalb die Folgen der Epidemie direkt und drängend zu spüren: Lebensmittel werden knapp. Auf den Märkten schwindet der Vorrat an Grundnahrungsmitteln wie Reis.
Imageschaden für Staaten
Die Krankheit belastet auch die ohnehin strapazierten Staatshaushalte der betroffenen Staaten. Die Ratingagentur Moody's befürchtet, dass deren Budgets stark von den hohen Ausgaben für das Gesundheitssystem und zusätzlich von der sich verschlechternden Wirtschaft strapaziert werden.
Die Afrikanische Entwicklungsbank versprach bereits, den Gesundheitssystemen der betroffenen Länder mit 60 Millionen Dollar auszuhelfen.