Knapp vier Wochen nach dem historischen Machtwechsel in Athen haben die Griechen und die Europartner über Finanzhilfen für das Krisenland gestritten. Praktisch in letzter Minute haben sie sich nun in Brüssel geeinigt – nur acht Tage, bevor das bisherige Rettungsprogramm ausgelaufen wäre.
Die Partner verständigten sich auf eine Verlängerung des aktuellen Hilfsprogramms um vier Monate. Dies bestätigte Valdis Dombrovskis, EU-Kommissar für den Euro, via Twitter. Während dieser Zeit hat Griechenland weiter Zugang zur Geldern für die Bankenkapitalisierung. Athen hatte eine sechsmonatige Verlängerung gefordert.
Die Regierung in Athen hat sich im Gegenzug verpflichtet, die Reformen fortzusetzen. Sie bekräftige, das Hilfsprogramm bis zum 30. Juni inklusive der Spar- und Reformauflagen erfolgreich abschliessen zu wollen. Bis Montag soll Athen eine Liste von nachhaltigen Reformmassnahmen vorlegen.
Dijsselbloem: Griechenland will alle Schulden zurückzahlen
Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem sprach von einer intensiven Debatte. Es gehe um Vertrauen auf der Grundlage von Vereinbarungen. Es gebe die Hoffnung, letztlich ein positives Ergebnis zu erzielen: «Heute Abend war ein sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung».
Medienmitteilung der Eurogruppe
Griechenland habe sich verpflichtet, keine vereinbarte Reformmassnahme zurückzunehmen und den Willen bestätigt, alle Schulden rechtzeitig zurückzuzahlen, sagte Dijsselbloem weiter. Die vier Monate sollten genutzt werden, um über das weitere Verfahren mit Griechenland zu verhandeln. Die Lage in Griechenland müsse stabilisiert werden.
Die ersten Schritte seien getan worden. Mit Blick auf die Vier-Monats-Frist sagte Dijsselbloem, es müsse zugleich an der Anschlussregelung gearbeitet werden. Es müsse der Finanzierungsbedarf ermittelt werden. Vier Monate seien ein angemessener Zeitraum.
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, sagte, es seien alle froh, dass die Arbeit jetzt beginnen könne. Sie forderte alle Beteiligten auf, vorsichtig zu sein. Das Ergebnis sei hoffentlich umfassend und werde vielleicht zu noch mehr führen.
Telefonkonferenz am Dienstag
Wenn die Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB), des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Kommission zum Schluss kommen, dass die Reformpläne Griechenlands akzeptiert werden können, soll am Dienstag eine Telefonkonferenz unter den Euro-Finanzministern stattfinden.
Bevor das Hilfsprogramm definitiv verlängert werden kann, müssen auch noch verschiedene nationale Parlamente den Kompromiss gut heissen - etwa die Parlamente in Deutschland, Finnland und Estland.
«Schwere Kost» für Griechenland
In Verhandlungskreisen hiess es zuvor, die Griechen hätten «schwere Kost schlucken» müssen. Dijsselbloem habe den Griechen einen Entwurf der Eurogruppe vorgelegt, in dem die Forderungen der anderen 18 Euroländer zusammengefasst seien. Dann habe er den griechischen Regierungschef Alexis Tsipras angerufen und gesagt: «Das oder es ist Schluss».
Die Verhandlungen hatten zuvor ohne sichtbare Kompromissbereitschaft begonnen. Finanzminister Yanis Varoufakis hatte vor Beginn des Treffens Korrekturen am Antrag für eine Verlängerung der Finanzhilfen abgelehnt und Entgegenkommen der Partner verlangt. Deutschland und andere Euro-Länder hielten die Zugeständnisse der Links-Rechts-Regierung weiter für unzureichend.
SRF-Korrespondent: Desaster für Athen
Der Eindruck, dass die Einigung für die Griechen eher ein Desaster zu sein scheint, wird von SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck geteilt. Er unterstreicht, dass der Kompromiss «praktisch alle Forderungen enthält, die Deutschland und die anderen Euro-Staaten an Griechenland gestellt hatten».
Die Verhandlungserfolge die Athen mit nach Hause nehmen darf, seien doch eher bescheiden. Der Brüsseler Korrespondent sieht bereits neue Verhandlungen und neuen Streit am Horizont aufscheinen, wenn Athen alsbald neue Milliardenzahlungen stemmen muss.
Die Zeit bis zu einer Einigung war knapp geworden, weil das jetzige Hilfs- und Reformpaket am 28. Februar endet – danach hätte die Zahlungsunfähigkeit gedroht. Neben Deutschland hatten sich die übrigen Programmländer in der Euro-Zone gegen zu grosse Zugeständnisse gegenüber der neuen, linkgerichteten Regierung in Athen gesperrt. Das hoch verschuldete Griechenland wird von der Euro-Zone und vom IWF seit 2010 mit 240 Milliarden Euro vor der Staatspleite bewahrt.